Kapitel 3: Interpretation der Prophezeiung
- Einblendung -

STADT, GEMEINDEHAUS

GABRIELLE:
„Warum habt ihr denn vermutet, dass Eve Evrana wäre?“

XENA:
„Und woher glaubt ihr denn zu wissen, dass diese Prophezeiung auf EUER Problem und
nicht auf irgendetwas anderes zutrifft?“


GABRIELLE:
„Wie lautet überhaupt der genaue Wortlaut der Prophezeiung?“

Ein Mann, der sich als Daud vorgestellt hat, erhebt sich, geht in ein Nebenzimmer und kehrt bald darauf mit einer Schriftrolle zurück. Sorgsam rollt er sie auf und liest laut vor.



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Gefolgt von dunklen Kriegern wird Bosheit, Leid sein Weg kennzeichnen
Er wird kommen, wird versuchen Herrscher über Völker zu werden
Die Sonne verhüllt ihr Gesicht um seine Rückkehr zu verkünden
100 Tage später wird es zum entscheidenden Kampf kommen
Grausam und vernichtend werden die Folgen sein, sollte er siegen
Finsternis wird er in die Welt bringen, groß wird seine Macht werden
Zu mächtig für einen gewöhnlichen Sterblichen, ihn alleine zu bekämpfen

In dieser Zeit der Not wird SIE euer Schicksal lenken
Die Farbe des Wassers spiegelt sich in den Augen wieder
Unscheinbar, auf den ersten Blick, und doch so beachtlich
Keine Fremde in diesem Land, dennoch nicht einheimisch
In Tagesnähe der Gefahr, unweit dem heimischen Ufer
Dort werdet ihr sie antreffen, dort werdet sie finden

Ihr müsst an sie glauben, werdet ihr sie nicht erkennen ansonsten
Denn sonderbar ist ihr Handeln, außergewöhnlich ihre Waffen
Ihr wahres Gesicht würde erst am Schluss klar werden
Obwohl nur sie vermag, den Sieg herbeizuführen
Ohne ihr seid ihr dem Untergang geweiht, seid verloren
Zeichen so unverkennbar und doch gleichzeitig so verworren
Einzig SIE hat die Kraft, den Herrscher der Dunkelheit vernichten


EVRANA

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XENA:

„'Herrscher der Dunkelheit?' Seltsame Bezeichnung für einen Kriegsherrn...“

DAUD:
„Der Name 'Rajnish' bedeutet tatsächlich 'Herrscher der Dunkelheit'. Und das ist
nicht das Einzige worin die Prophezeiung mit der jetzigen Situation übereinstimmt: Vor
98 Tagen hat die Sonne ihr Ge...“


GABRIELLE:
„...Gab es eine Sonnenfinsternis, ja. Das haben wir...“
(Seitenblick zu Xena; traurig-liebevolles Lächeln)
„... besonders... intensiv miterleben können. Und wenn Rajnish den Angriff für in
zwei Tagen angekündigt hat, wäre das der 100. Tag nach der Sonnenfinsternis...
Dennoch... Irgendwie...“


XENA:
„... Irgendwie wirkt die Prophezeiung ziemlich übertrieben für die Bedrohung durch
einen Kriegsherrn. Was, wenn Rajnish schlicht und einfach diese Prophezeiung ausnutzt
um sich unbesiegbar erscheinen zu lassen?“

Gabrielle nickt zustimmend.

ANANDA:

„Es ist nicht unbedingt übertrieben. Wir haben sehr lange in Frieden gelebt. Ein Kriegsherr
ist unter diesen Umständen eine Bedrohung, die tatsächlich eine Prophezeiung Wert ist,
denke ich. Außerdem... geht das Gerücht um, das Rajnish ein Nachfahre von dem
grausamen, mächtigen Kriegsherr sei, der sich vor Jahrhunderten das Indus-Tal und viele
weitere Gebiet unterworfen hatte, wobei er äußerst blutig und erbarmungslos vorgegangen
ist. Er ist in ganz Indien gefürchtet und hat uns viel Leid gebracht. Glücklicherweise kamen
nach seinem Tod seine Männer in Streit untereinander und so zerfiel seine Herrschaft. Somit
ist er auch der letzt Kriegsherr im Indus-Tal. Und auch wenn es nur ein Gerücht ist, dass
Rajnish sein Nachfahre sei... Ich halt es für möglich, dass er es tatsächlich ist...“


DAUD:
„Außerdem würde das erklären, warum die Prophezeiung von der Rückkehr des Herrn
der Dunkelheit, Rajnish spricht. Er wäre zwar nicht seine direkt Rückkehr, aber wenn
Rajnish ein Nachfahre von ihm ist...“


GABRIELLE:
„Na schön. Dann nehmen wir an, es gäbe dann ebenfalls eine Frau namens Evrana,
die Rajnish besiegen kann. Und...“

(nachdenklich)

„...wenn das nicht so unmöglich wäre, würde ich fast sagen, Eve ist tatsächlich diese
Figur aus der Prophezeiung. Der Name Eve ist nicht weit entfernt von 'Evrana' und
die anderen Zeichen stimmen in etwa auch...“


ANANDA:
„Und die Sache mit den Waffen?“

GABRIELLE:
„Als Elianerin ist ihre 'Waffe' die Liebe. Also wirklich eine außergewöhnliche 'Waffe'...
Aber wie sie damit ein Heer besiegen könnte...“

(schüttelt den Kopf)
„Nein, es würde keinen Sinn ergeben, also doch nur ein Zufall, was kann sie denn schon tun?“
(kurze Pause)
„Jedenfalls... Selbst wenn wir annehmen, es gibt irgendwo eine Person namens Evrana,
die Rajnish besiegen kann... Ihr habt sie nicht gefunden. Was wollt ihr also tun?“

Die Anführer sehen sich an und sagen nichts. Offensichtlich wissen sie keine Antwort.



XENA:
„Wie viele Einwohner hat diese Stadt?“

MADHUKAR:
„Etwa 1200. Aber rund die Hälfte davon ist geflohen. Wenn sie jemanden außerhalb des
Indus-Tals hatten zu wem sie gehen konnten...“


XENA:
„... Also 600 Menschen. Davon weniger als die Hälfte Männer, nehme ich an... Wie viele
Leute hat Rajnish?“


MADHUKAR:
„Ich weiß es nicht. Niemand hier weiß etwas Genaues...“

XENA:
„Ein Feind, von dem man die Stärke nicht kennt, lässt sich schlecht bekämpfen.“

Der wohl älteste Mann der Runde mit dem Namen Vivek hat bisher die Fremden nur beobachtet und nichts gesagt. Jetzt räuspert er sich.

VIVEK:

„Wer seid ihr? Sowohl die Art, wie ihr euch bewegt als auch eure Art zu reden zeigen,
dass ihr Erfahrung im Kampf habt. Und die Waffe, die du“

(zu Xena)
„hast, kommt mir bekannt vor.“

Das Chakram ist nämlich, zunächst vom Kleid verdeckt, im Sitzen teilweise sichtbar. Gabrielles Sais an den Stiefeln ebenfalls

VIVEK:
„Ihr seid Kriegerinnen. Und wenn mich nicht alles täuscht, seid ihr Xena, die
Kriegerprinzessin, aus Amphipolis und Gabrielle, die streitbare Bardin, aus Poteidaia.“



- Schnitt -

STADT, GEMEINDEHAUS

Gabrielle sieht zu Xena. Die Kriegerprinzessin, erwidert den Blick und nickt kaum merklich.

GABRIELLE:
„Du täuscht dich nicht.“

Diese schlichte Aussage lässt die anderen Männer erstaunt aufblicken. Sie haben von den Beiden gehört und der Gedanke, diese beiden Kriegerinnen als Unterstützung zu haben, erfüllt sie mit neuer Hoffnung.

DAUD:
(zögernd)
„Vielleicht haben wir 'Evrana' dann ja schon gefunden...“

Fragende Blicke treffen ihn.

DAUD:
(noch zögernder)
„Na ja, das Chakram ist nicht eine alltägliche Waffe...“

Einen Moment lang blickt Xena verständnislos drein. Dann runzelt sie die Stirn.


XENA:
„Moooment mal, du denkst doch nicht, dass ICH...“

ABHAY:
„Du hast blaue Augen, eine nicht gerade geläufige Waffe, diese Stadt befindet sich sowieso
am Ufer des Indus, du trägst eine Bekleidung wie sie hier üblich ist, bist aber
nicht einheimisch...“


ANANDA:
„... Wenn man das mit der Tagesentfernung zeitlich und nicht auf Strecke auslegt...
du bist ungefähr einen Tag vor dem Angriff aufgetaucht... Und ihr zwei seid sowieso
im Begriff, uns zu helfen...“


XENA:
(kritisch, fast ironisch)
„Ja genau!... Wenn ihr so weitermacht, könnt jede 'Evrana' sein. Denn zum Beispiel...
Was für eine Farbe hat denn Wasser? Blau? Nicht durchsichtig?“

(Ihre Augen treffen sich mit denjenigen Gabrielles.)
„Vielleicht doch grün?
Oder: Was sind schon 'außergewöhnliche Waffen'?“

(blickt zu Gabrielles Stiefel)
„Für jemand, der noch nie Sais gesehen hat, sind das „außergewöhnliche“ Waffen, nicht?
Eine... Pfanne kann man zum Beispiel auch als Waffe gebrauchen. Ist DAS eine
'außergewöhnliche Waffe'?“


„Das mit der Auslegung von „Tagesnähe der Gefahr“ hast du schon erwähnt: Zeitlich oder
Strecke? Ich könnte jetzt jedes einzelne Wort so weiter untersuchen und alles mögliche
hineininterpretieren, versteht ihr?“

Bis auf Vivek und Gabrielle blicken alle erstaunt drein. Die Bardin schmunzelt. Sie hat etwas Derartiges von ihrer Freundin geradezu erwartet.

XENA:
„Da diese Prophezeiung bisher nichts gebracht hat, solltet ihr euch auf das hauptsächliche
Problem konzentrieren: Ein Kriegsherr bedroht eure Stadt. Kann der Angriff abgewehrt
werden? Oder ist ein Rückzug nötig?... Und deshalb müssen wir erst mal wissen, mit
wie vielen Gegnern wir es zu tun haben. Und welche Waffen diese zur Verfügung haben.
(schaut zu Gabrielle)
Das ist es, was wir jetzt als Erstes in Erfahrung bringen werden.“



- Schnitt -

BEIM INDUS -- SPÄTER ABEND

Langsam trottet Eve den Weg entlang, rechts der Fluss, links in größerer Entfernung eine Gebirgskette mit waldbedeckten Hängen. Eigentlich ist es kein richtiger Weg sondern einfach ein niedergetrampelter Pfad zwischen den Sträuchern und den vereinzelt dastehenden Bäumen. Am Horizont ist eine Ansammlung von Bäumen zu erkennen und dahinter etwas, von dem Eve hofft, dass es endlich die Stadt sei.

Elis Botschafterin verlässt den Pfad, um sich am Fluss etwas zu erfrischen. Sie füllt ihren Wasserschlauch mit frischem Wasser und blickt dann gedankenverloren auf das fließende Wasser.

Ein leichter Wind kommt auf. Eve horcht auf.
Sie runzelt die Stirn und wirkt nachdenklich.

Sie blickt zur Sonne.


- Schnitt zu: -

BEIM INDUS; WALDHANG -- KURZ DARAUF

Eve befindet sich im Wald, das den Hang hinunter zum Fluss bedeckt. Zwischen den Bäumen ist links das Heerlager erkennbar.

Eve kniet sich neben dem bewusstlosen Mann hin. Behutsam dreht sie ihn so, dass er auf dem Rücken zu liegen kommt. Eine Platzwunde an der Stirn wird sichtbar. Xenas Tochter holt aus ihrer Tasche ein Stück Stoff hervor, befeuchtet es mit dem Wasser aus dem Wasserschlauch und wischt zunächst das blutverkrustete Gesicht des Mannes ab. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne leuchten darauf.

Nachdem sein Gesicht einigermaßen gesäubert ist, unterzieht sie ihn einer eingehenden Bemusterung. Außer der Platzwunde an der Stirn hat er noch zahlreiche kleinere Kratzer und ein Arm ist seltsam verdreht, wahrscheinlich gebrochen. Eine wirklich gefährliche Wunde scheint er jedoch nicht zu haben.
Elis Botschafterin schaut sich um. Ihr Blick durchsucht den Boden und sie runzelt die Stirn, während sie nachdenklich die Spuren am Boden rund um den Verletzten betrachtet.

Dann schüttelt sie den Kopf und seufzt.

Sie schaut wieder zum Krieger und ihr Blick bleibt beim üppig verzierten Schwert und genauso verziertem Dolch haften. Danach verweilt er lange auf dem Gesicht des Kriegers.
Sehr lange. Xenas Tochter wirkt äußerst nachdenklich und in Gedanken versunken. Sie scheint einen inneren Kampf auszufechten.
Schließlich schließt sie die Augen.

Als sie sie nach endlos scheinenden Minuten wieder öffnet, wirkt sie entschlossen: Sie säubert zunächst die Wunden ganz grob mit Wasser, dann richtet sie den gebrochenen Arm. Der Krieger stöhnt leise aber blieb bewusstlos.

Sie legt ihre Hände auf seine Brust.



EVE:
(leise):
„Eli, hilf mir.“

Sie atmet tief durch und konzentriert sich.

Augenscheinlich passiert nichts, als Eve die Hände wieder wegnimmt, sind bloß einige der ganz kleinen Wunden verschwunden.
Langsam öffnet Rajnish die Augen. Als er Eve über sich sieht, setzt er sich mit einem Ruck auf. Rasch erhebt diese sich.

RAJNISH:
(verwirrt)

„Was... was ist passiert?“

Misstrauisch schaut er Eve an.

RAJNISH:
„Was hast du mit mir gemacht?“

Zunächst ist sein Blick wütend, doch dann erscheint Verwirrung in seinem Gesicht. Er blickt an sich herunter, bewegt leicht seinen linken Arm, und macht eine überraschte Miene. Er starrt Eve an.

RAJNISH
„Wer bist du?“
(reißt die Augen auf)
„Evrana?!“

Mit einer blitzschnellen Bewegung steht er auf und nimmt dabei sein Schwert vom Boden. Sein gebrochener Arm protestiert ob der plötzlichen Belastung und Schmerz durchfährt ihn. Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Auch wenn es wohl für ihn selber lächerlich wirkt, hält er das Schwert in einer schützenden Geste vor sich.



- Schnitt -

BEIM HEERLAGER, NÖRDLICHE SEITE -- SPÄTABEND/NACHT

Zwei Augenpaare betrachten zwischen einigen Sträuchern aufmerksam das Treiben der Krieger.



XENA:
(leise)
„Um die 50 Männer, kaum Waffen, kaum Pferde.“

GABRIELLE:
(runzelt die Stirn; ebenfalls leise, nachdenklich)
„Wenige Männer, schwache Bewaffnung und geringe Kavallerie?
Da stimmt doch was nicht.“



XENA:
„Sie rechnen mit keinerlei Widerstand...“

GABRIELLE:
„Dennoch... Vielleicht ist das nur ein Teil des Heeres? Ich meine, selbst wenn sie sehr
gut wären, um ein Dorf anzugreifen würde es reichen, aber...“


XENA:
„... aber eine Stadt mit fast tausend Einwohnern?“
(kneift die Augen zusammen und nickt)
„Schauen wir uns mal weiter um.“

Geräuschlos zieht sie sich zurück; ihr Körper verschmilzt mit der Umgebung.
Einen Moment später folgt ihr die Kriegerbardin.


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