Kapitel 1: Gefährliche Gegner
- Aufblendung -

NORDEN GRIECHENLANDS

Der Exu-Kult ist nun schon seit einigen Tagen unterwegs. Fünfundzwanzig Männer laufen in dunklen Kutten und Masken neben einem Pferdewagen, welcher von zwei schwarzen Hengsten gezogen wird, her. In diesem Wagen sitzen dreizehn Kinder und ein paar Soldaten, die auf sie aufpassen. Der mit Heu ausgelegte Boden bebt durch den steinigen Weg, auf dem sich die großen Holzräder mühsam fortbewegten.

KIND 1:
„Ich habe Hunger.“

KIND 2:

„Ich auch. Und Durst...“

SOLDAT
„Haltet den Mund! In einer Woche werdet ihr gar nichts mehr haben, also wieso
Nahrung verschwenden? Lebt von Luft und... Ähm, lebt einfach von Luft.“

Ein anderer Soldat lacht vergnügt und wählt eine bequemere Sitzposition.<

KIND 1:
„Was habt ihr mit uns vor, wo ist meine Mutter?“

SOLDAT
„Wir werden euch zu echten Helden machen. Nur mit eurer Hilfe wird die Welt
weiterhin so schön sonnig bleiben, wie sie sein soll. Und deine Mutter? Deine
Mutter ist wahrscheinlich zu Hause und hofft auf ein paar Sonnenstrahlen, um die
nasse Wäsche aufzuhängen. Du willst doch deine Mutter glücklich machen, oder?“

Der Junge nickt langsam und seine Augen füllen sich mit Tränen.

SOLDAT:
(verärgert)
„Was ist los?“

KIND 1:
„Ich will kein Held sein... Ich will nur nach Hause. Es gibt schon genug Helden.
In Griechenland, sagt man, sollen die Besten leben...“


SOLDAT:

(genervt)
„Ja. Das sagt man in der Tat. Man sagt auch, dass wir bei unserem Vorhaben
behindert werden, durch...“


KIND 1:
„Eine Frau, oder?“

SOLDAT:
„Ja, eine Frau. Die Prophezeiung spricht von einer Frau, die uns vernichten wird, wenn
wir sie nicht zuerst vernichten...“


SOLDAT 2:
„Hehe, und das werden wir auch. Wenn sie auftaucht, hat sie kein schönes Leben
mehr, dafür werden wir sorgen...“

Er wirft einen Blick durch einen Spalt des Wagens auf den Priester. Ein böses Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.


- Schnitt zu: -

WEITER SÜDLICH IN GRIECHENLAND

Xena, Gabrielle und Zoliara haben Mühe, der Spur des Kultes zu folgen. Die Sumpfgebiete erschweren die lange Wanderung, aber keine wagt zu klagen. Dazu ist ihre Aufgabe zu wichtig.



XENA:
„Da vorne zieht sich die Spur des Wagens über den Schlamm. Sie ist noch frisch,
vielleicht ein paar Stunden alt.“


GABRIELLE:
„Wann glaubst du, werden wir sie eingeholt haben?“

XENA:
„Schwer zu sagen. Wenn sie Pausen machen, dann wahrscheinlich morgen früh.
Wenn nicht, dann etwas später. Aber ich schätze, im Verlauf des kommenden
Tages werden wir auf sie treffen.“


GABRIELLE:
„Hast du schon einen Plan? ...Natürlich hast du schon einen Plan, wozu frage ich noch...“

XENA:
(ernst)
„Gabrielle, vielleicht solltest du etwas über diesen Kult wissen. Es ist nicht leicht,
ihre Pläne zu durchkreuzen. Ich denke diesmal wird mein Schwert und ein Tritt
in ihre Hintern nicht reichen.“

Gabrielle schaut zu Zoliara, die vorsichtig nickt.

GABRIELLE:
„Xena, woher kennst du dich damit aus?“



XENA:
(schaut in die Ferne)
„Vor langer Zeit, als ich mit meiner Armee darauf aus war, in Afrika wichtige
Handelsstellen zu unterwerfen, stießen wir auf Ajogun-Anhänger. Ich weiß,
wovon ich rede, Gabrielle. Als der Exu-Kult erwähnt wurde, lief mir ein kalter
Schauer über den Rücken.“


ZOLIARA:
(verwundert)
„Du wolltest einmal Afrika angreifen? Deswegen kennst du also Sudan?“

Gabrielle beißt sich auf die Unterlippe. Xena tut ihr immer Leid, wenn sie nach ihrer Vergangenheit gefragt wird, denn die Bardin weiß, wie sehr sie das quält.

XENA:
„Das ist eine lange Geschichte... Die ich jedoch nicht verbergen darf und will. Es
stimmt, ich hatte Dörfer und Städte aus Machtgier und Tötungslust attackiert. Aber ich
widme nun mein Leben dem Schutz dieser Menschen, die früher meine Opfer waren.“


ZOLIARA:
(bleibt kurz stehen und sieht Xena in die Augen)
„Du musst dich sehr verändert haben seit jener Zeit. Ich erkenne nichts mehr von
deinem früheren Ich. Was auch immer passiert, ich vertraue dir.“


Xena schielt zu Gabrielle und lächelt. Denn nur ihr hat sie es zu verdanken, dass sie an diesem Punkt angelangt ist.
Ohne die Hilfe der Bardin wäre sie schon längst wieder zurück verfallen. Und dann... Dann würde wieder ein Monster in Griechenland wüten.

GABRIELLE:
„Ich verstehe immer noch nicht. Also, du hast was mit denen zu tun gehabt? Was ist
so besonders an diesen Leuten?“


XENA:
„Ich hatte mit ihrem Glauben zu tun. Es ist... Es ist einfach so, dass man
sehr gut aufpassen muss.
(holt tief Luft)
Damals ist ein Freund mitgeritten, um uns bei der Schlacht zu helfen. Vielleicht
ist Freund übertrieben, ich denke, er hatte es nur auf den Besitz abgesehen. Aber
er war ein großartiger Krieger und kannte weder Reue noch Mitleid. Also fast mein
Ebenbild. Und er war tot, bevor er sein Schwert ziehen konnte.“


GABRIELLE:

„Wie kam es dazu?“


XENA:
„Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht genau. Es war jedoch für mich damals sehr aufregend,
wie man einen Menschen nur alleine durch Worte töten konnte. Mein Kopf spielte schon
die größten Schlachten durch, in denen ich diese Fähigkeit einsetzen konnte. Zu meinem
Vorteil. Aber ich habe dieses Geheimnis nie erforschen können, meine Männer haben
sich geweigert, gegen die zu kämpfen. Ich konnte es ihnen nicht verübeln; ich selber
hatte so was auch noch nie zuvor gesehen.“

Zoliara macht ein betretenes Gesicht. Gabrielle ahnt, dass sie etwas weiß.

GABRIELLE:
„Kannst du mir vielleicht etwas darüber erzählen?“

ZOLIARA:
„Nein, tut mir Leid. Ich weiß auch nichts Genaueres über ihre Beschwörungen.
Xena hat aber Recht. Seid beide vorsichtig. Am besten, ihr lasst mich zu ihnen gehen.
Ihr solltet euch wirklich vor ihnen verstecken. Sie würden nicht zögern. Es steht für
sie zu viel auf dem Spiel.“




XENA:
„Kommt gar nicht in Frage. Wir werden dir helfen. Egal was kommt.“

ZOLIARA:
„Xena, ich bin froh, euch getroffen zu haben. ...Glaubst du eigentlich an das Schicksal?“

Gabrielle muss schmunzeln. Eine der Fragen, auf die sie Xenas Antwort weiß.

XENA:
„Ich glaube, dass jeder selber für sein Schicksal verantwortlich ist.“

ZOLIARA:
„Du musst wissen, in den heiligen Schriften der Ajogun ist von einer Frau die Rede,
die über sie herfallen wird. Eine Frau, so wild wie der Monsun und so unerreichbar
wie der Gipfel des Kinyeti-Berges. Sie würde ihren Verstand und ihre Kraft gegen
sie verwenden, und dann...“


GABRIELLE:
„Dann was?“

ZOLIARA:
„Dann hört die Überlieferung auf. Es wird kein Sieger genannt, kein Verlierer. Sie
erzählen einfach nicht weiter.“




GABRIELLE:
„Aber das hat den Exu-Kult veranlasst, vorsichtig zu sein und auf diese Frau
zu achten, oder?“


ZOLIARA:
„Ja, leider ist es so. Ich dachte erst, ich könnte den Platz dieser Frau einnehmen; dass ich,
durch das Verlassen meines Hauses und meinen Versuch sie zu finden, diejenige bin.
Doch es ist nicht so. Ich denke, du bist es, Xena, von denen die alen Vorfahren erzählen.
Als ich dich gesehen habe, da ist mir klar geworden, dass nur du es sein kannst. Aber
ich kann dir, wie gesagt, nicht den Ausgang des Kampfes vorhersagen. Ich versteh
auch nicht, wieso das Schriftstück endet. Vielleicht wird der Ausgang
nicht deutlich werden.“


XENA:
(kalt)
„Dann haben die alen Vorfahren wohl einen Fehler gemacht, als sie keine Sieger
nannten. Denn diesmal wird es einen geben. Und ich denke, ein paar Masken werden
schon sehr bald durch gewisse Stiefel in den Schlamm gedrückt werden...“



- Schnitt -

WALDLICHTUNG

Der Tag neigt sich dem Ende zu.
Der Wald ist finster und ermöglicht nur ein langsames Vorwärtskommen, obwohl jedes der Exu-Mitglieder eine Fackel in der Hand trägt. Der dichte Nebel begräbt sämtliches Licht unter sich.

PRIESTER:
„Wir sollen eine Rast einlegen, es hat keinen Sinn, wenn wir die ganze Nacht
unterwegs sind. Schöpft Kraft und dann wandern wir weiter, sobald die
Sonne aufgeht.“


EXU-ANHÄNGER:
„Aber Herr, was ist mit der Befreierin? Wenn wir schlafen, sind wir ein leichtes Ziel!“

PRIESTER:

(böse grinsend)
„Keine Sorge. Sie soll nur kommen...“


- Schnitt -

WALDWEG

GABRIELLE:
„Xena, siehst du noch die Wagenspur?“

XENA:
„Ja, aber es ist sehr schwer im Dunklen etwas zu erkennen... Warte!...“

GABRIELLE:
„Was ist?“

XENA:
„Hier gabelt sie sich!“

Gabrielle läuft schnell zu Xena, um sich das ganze aus der Nähe anschauen zu können.

GABRIELLE:

„Du hast Recht, wie ist so etwas nur möglich?“

XENA:
„Es ist ein Trick.“

ZOLIARA:
„Des Exu-Kultes?“

XENA:
(ironisch)
„Oder die fahrenden Händler erlauben sich einen Spaß... Natürlich ist der
Exu-Kult dafür verantwortlich.“


GABRIELLE:
„Und wohin gehen wir?“



XENA:
„Ich schätze, nach links.“

GABRIELLE:
„Nein, mein Bauch sagt mir rechts... Ich kann mich immer auf meinen Bauch verlassen.“

XENA:
„Dein Bauch hat uns schon oft in Schwierigkeiten gebracht...“

GABRIELLE:
„Ist denn das nicht, was wir wollen? Also, hör zu Xena, wie wär's, wenn ich nach rechts
gehe und ihr nach links. Und wenn ich merke, dass ich falsch bin, dann kehre ich um.
Ich werde euch dann einholen. Aber ich schätze, ihr werdet eher umkehren, nachdem
ihr gemerkt habt, dass ich recht hatte...“


XENA:
„Also schön, pass aber auf dich auf und mach nichts Unüberlegtes. Falls du auf sie
triffst, dann warte auf uns. Ich möchte auf gar keinen Fall, dass du das auf eigene
Faust regelst. Ich weiß, dass du auf dich selber aufpassen kannst, trotzdem wäre es
mir lieber, wenn wir uns nicht trennen würden.“


GABRIELLE:
„Kein Grund zur Sorge. Ich weiß, wie gefährlich diese Leute sind. Ich werde
bestimmt nichts Unüberlegtes tun.“

(grinst)

„Und bleibt ihr mir nicht im Sumpf stecken.“

Xena lächelt zurück und sie trennen sich.

Gabrielles Sinne sind in höchster Alarmbereitschaft. Sie versucht, auf jedes Geräusch zu achten, so wie sie es über all die Jahre von Xena gelernt hat. Ihr fällt immer wieder aufs Neue auf, was sie über die lange Zeit mit ihr gelernt hat. Sie wäre nie an diesem Punkt ihrer Fähigkeiten und nicht zuletzt ihrer Menschlichkeit, die Tag für Tag zu wachsen scheint, angelangt, wäre sie damals in Poteidaia geblieben.
Sie vernimmt ein leises Rascheln - Schritte, die über das feuchte Laub stampfen und sie spürt, wie augenblicklich ein kalter Schauer über ihren Rücken läuft. Der Nebel scheint sich gespalten zu haben und aus dem dunkelgrauen Dunst tritt eine Gestalt in Kapuze hervor, die ein paar Schritte vor ihr stehen bleibt. Es ist ein großer Mann, der zum Boden schaut - man sieht weder Gesicht noch andere Lebenszeichen außer dem rhythmischen Auf- und Absenken des Brustkorbes beim Atmen. Langsam hebt er den Kopf und Gabrielle muss schwer schlucken. Die Kälte in seinem Blick saugt sie fast schon in sich auf. Sie bemerkt im Hintergrund weitere Männer in Kutten, die ebenfalls regungslos dastehen.

PRIESTER:
„Willkommen! Wir haben schon auf dich gewartet!“

GABRIELLE:
(beschwichtigend)
„Gewartet? Auf mich? Ihr habt sicher von meinen mitreißenden Erzählungen gehört
und wollt euch davon überzeugen, oder? Ich könnte euch eine Geschichte erzählen...“



PRIESTER:
„Geschichte? Ja, erzähl uns die Geschichte von der Frau, die Exu stoppen wollte,
und dabei selber letztendlich gestoppt wurde...“

(Mitglieder lachen)

GABRIELLE:
„Ähm, diese Geschichte ist mir leider unbekannt, wie wäre es mit der Kronos-Saga?“

PRIESTER:
(zu den anderen Mitgliedern)
„Bringt sie zu der Sammelstelle und bindet sie am Pfahl fest!“

GABRIELLE:
„Ich seh schon, ihr mögt wohl keine Titanen...“

Sie zieht ihre Sais blitzschnell heraus und fixiert ihre Gegner. Nun muss sie kämpfen, das weiß sie.

Der Priester lacht plötzlich laut auf und bewegt seinen Arm von links nach rechts.
Gabrielles Finger lösen sich augenblicklich von den Griffen ihrer Waffen und die Sais fallen auf den weichen Waldboden.

GABRIELLE:
(flüstert)
„Was geht hier nur vor?“

Sie spürt, wie die Männer sie packen und davonschleppen. Für diese wenigen Augenblicke ist sie vollkommen unfähig, sich wehren zu können. Sie kann weder schreien noch sich bewegen. Dieses Gefühl der Wehrlosigkeit jagt ihr Angst ein; sie versucht, nicht in Panik zu geraten.


- Ausblendung -