Einleitung: Der Exu-Kult
- Aufblendung -

AM QUELL DES NILS

Ein hohes Lagerfeuer sticht in den nächtlichen Himmel. Trommelschläge und klagende Gesänge erhallen in der düsteren Atmosphäre. Die Gesichter der Teilnehmer der Messe sind hinter rot-schwarzen Masken verborgen.

PRIESTER:
(fordernd)
„Es ist soweit! Die Zeit ist nun gekommen, um zu handeln! Wir müssen die mächtigen
Ajogun besänftigen! Sonst werden sie uns die Sonne nehmen und die Welt wird sich in
ewiges Eis verhüllen! Wir haben Fehler begangen, unsere Huldigungen sind nicht genug!“

Er schaut zum Himmel und fixiert den Mond mit seinen tiefschwarzen Augen an, ehe er weiter spricht.

PRIESTER:
(immer lauter werdend)
„Lasst uns für die gesamte Welt einstehen und die nötigen Opfer bringen! Unwissende
mögen den grollenden Zorn der Ajogun nicht sehen, doch wir, nur wir vom
Exu-Kult, sind fähig, die Menschheit zu retten!“

Die meditativen Gesänge werden lauter. Sie vermischen sich mit Geräuschen von Schritten auf dem sandigen Boden. Der gesamte Exu-Kult folgt einem schmalen Pfad hinunter ins Tal, wo eine friedliche Siedlung liegt.
Häuser gehen in Flammen auf und Schreie schneiden in die nächtliche Ruhe.



FRAU:
(in Tränen aufgelöst)
„Nicht meinen Sohn! Bitte nehmt ihn mir nicht weg! Bitte.“

Das Weinen des Kleinkindes verliert sich zwischen den Gesängen und dem lauten Knistern der brennenden Hütten, bis auch diese Geräusche langsam verstummen.


- Schnitt -

GRIECHENLAND; AM FUßE DES GIONA-BERGES -- EIN PAAR WOCHEN SPÄTER

Xena und Gabrielle verlassen Thessalien und wandern Richtung Süden. Bald wird der Tag zu Ende gehen und sie halten Ausschau nach einem geeigneten Platz, um ein Nachtlager aufzuschlagen.

GABRIELLE:
(schwärmerisch)
„Es ist so friedlich hier draußen, ich mag diese Gegend sehr. Einfache Stille und kein
Ärger. Wieso kann es nicht immer so sein?“


XENA:
(belustigt)
„Weil uns dann schnell langweilig werden würde.
Du weißt doch, wir brauchen immer Ärger.“




GABRIELLE:
(lächelt)
„Ja, vielleicht ziehen wir ihn auch deswegen magisch an... Aber jetzt ehrlich, wünschst
du dir nicht ab und zu, dass dein Leben immer so ruhig wäre wie jetzt?“


XENA:
(ernst)
„Wünschst du dir das etwa?“

Gabrielle beschleicht ein ungutes Gefühl, etwas Falsches gesagt zu haben. Sie weiß, dass Xena nicht aufhören wird und will. Dass es ihr Leben ist. Dass es ihr gemeinsames Leben ist, ein Leben für Gerechtigkeit. Sie hat kein Recht in Frage zu stellen, was so bedeutsam für die Kriegerprinzessin ist.

GABRIELLE:
„Nein, Xena. Du weißt, dass ich was wir machen nicht missen will.“

Eine längere Pause entsteht, die jedoch nicht unangenehm für beide ist. Es gibt einfach keinen Platz für Worte.

XENA:
„Wie wäre es mit dieser Lichtung dort? Es wird bald dunkel werden und bis dahin
brauchen wir einen Platz zum Übernachten.“


Gabrielle nickt.


- Schnitt -

LAGERPLATZ

Sie zünden ein Lagerfeuer an. Die Nächte sind um diese Jahreszeit sehr kalt. So liegen sie eng beieinander und sagen nichts. Jede geht ihren eigenen Gedanken nach, und doch gelten diese Gedanken jeweils nur der anderen.

Um Mitternacht ist Gabrielle eingeschlafen. Xena aber liegt noch wach und schaut zum Sternenhimmel, bevor ihre Sinne plötzlich aufflammen: Sie vernimmt etwas im Gebüsch, das offenbar auf sie zukommt. Die Kriegerprinzessin will Gabrielle wecken, aber als sie deren friedlich schlafendes Gesicht sieht, ändert sie ihr Vorhaben. Leise steht sie auf und beschließt, den Herd des Geräusches zu finden.

Hinter einigen langen Farnen sitzt eine Frau, die sich an einen Baumstamm lehnt.

XENA:
„Wer bist du?“

FRAU:

„Ich heiße Zoliara. Und du? Bist du der rettende Engel?“

XENA:
„Nein, ein Engel bin ich nicht. Ich bin Xena. Was machst du hier alleine im Wald?“

ZOLIARA:
„Ich konnte nicht mehr weiter laufen. Seit Tagen führt mich mein Weg nun schon
quer durch Griechenland und dann bin ich einfach zusammengebrochen.“

Xena sieht, dass sie unendlich erschöpft ist und dass ein Leid ihre Seele quält.

XENA:

„Komm, du solltest dich aufwärmen. Und dann erzählst du uns, was passiert ist.“

ZOLIARA:
„Uns?“

XENA:
„Meine Gefährtin ist da hinten, wo das Feuer brennt. Komm einfach mit, wir können
dir sicher helfen.“

Sanft holt Xena Gabrielle aus dem Schlaf.


XENA:
„Hey, wir haben Gesellschaft bekommen.“

GABRIELLE:
(schlaftrunken)
„Wer ist es? Römer? Diebe? Mörder?“

XENA:
„Weder noch.“

Gabrielle streicht sich über das Gesicht und erblickt Zoliara, die sie freundlich anlächelt.


XENA:
„Das ist Zoliara, und das ist meine Freundin Gabrielle.“

ZOLIARA:
„Hallo. Freut mich dich kennen zu lernen.“

GABRIELLE:
„Gleichfalls. Also, wo kommst du her?“

Gabrielle richtet sich auf und Xena setzt sich neben sie. Zoliara nimmt auf einem umgefallenen Baumstamm vor dem Lagerfeuer Platz.

ZOLIARA:
„Ich komme aus einem entfernen Land, wo ihr sicher noch nie gewesen seid.
Es nennt sich 'Das Land der blauen Winde'.“


XENA:
„Sudan? Doch, wir sind dort schon einmal gewesen, vor einiger Zeit.“

ZOLIARA:
(lächelnd)

„Dann kennt ihr sicher diese friedlichen Dörfer, die sich rings um den Tanasee ziehen.“

Ihr Lächeln verschwindet, als sie durch diese Worte wieder an die Realität erinnert wird. Der Kloß im Hals, der sie seit diesem einen Tag begleitet, verschwindet auch jetzt nicht.

GABRIELLE:
„Was ist los? Und wieso bist du so weit von deinem Zuhause entfernt?“

ZOLIARA:
„Ich habe kein Zuhause. Ein Zuhause ist für mich ein Ort, der sicher ist. Der
Glück bedeutet. Und der die Familie schützt. Alles das gibt es dort nicht. Nicht
ohne meinen Sohn.“


XENA:

„Dein Sohn?“

Zoliara nimmt einen tiefen Atemzug der kalt stechenden Luft.

ZOLIARA:
(leise)
„Die haben ihn mir genommen. Einfach aus seinem Bett. Ich... ich habe gefleht, aber
ich konnte nichts tun. Mein Mann ließ mich nicht. Er sagt, es geht um die Götter.“


XENA:
„Götter? Welche Götter?“

ZOLIARA:
„Die Ajogun. Ein Geschlecht von bösartigen Göttern, die Flüche und Unheil mit sich
bringen. Der Exu-Kult hat sie erzürnt. Und nun müssen sie ihre Schuld mit dem
Blut von dreizehn Kindern reinwaschen. Sonst soll der Mond die Sonne für
immer verdunkeln.“


GABRIELLE:
(entsetzt)

„Aber...War dein Sohn auch unter den dreizehn?“

ZOLIARA:
„Er ist es immer noch. Der Exu-Kult zieht nach Norden. Erst dort, wo die Sonne
am niedrigsten steht, werden die Kinder geopfert. Ich bin von Zuhause weggegangen,
um ihnen zu folgen. Ich will meinen Sohn nicht verlieren. Nicht auf diese Weise.“


XENA:
„Du sagtest, dein Mann hat dich zurückgehalten?“

ZOLIARA:
„Er glaubt sehr an die Macht der Ajogun. Er gehörte selbst einmal zu dem Kult,
bis er mich geheiratet hat. Und dann musste er zurücktreten. Aber er verehrt noch
jeden einzelnen. Götter sind für ihn nun mal wichtiger als alles andere.“


XENA:
„Und er hat tatsächlich denen euren Sohn überlassen?“

Zoliara nickt langsam und senkt den Kopf.

XENA:
„Glaubst du an diese Götter?“

ZOLIARA:
„Wie kann man an jemanden glauben, der einem das wichtigste nimmt, was man
im Leben hat? Aber ich denke, sie wollen die Kinder gar nicht. Ich denke das ist nur
dem Wahn der Exu-Leute zuzuschreiben.“


GABRIELLE:
„Du bist ihnen also den ganzen Weg gefolgt?“

XENA:
„Was hast du eigentlich vor, wenn du sie einholst?“

ZOLIARA:
(flüsternd)

„Ich weiß es nicht... Ich... Ich muss ihn einfach finden. Und dann werde ich weiter sehen.“

XENA:
„Wir werden dir helfen.“

Sie schaut zu Gabrielle, die zustimmend nickt.

ZOLIARA:
„Das ist meine Sache. Es ist viel zu gefährlich.“

GABRIELLE:
(grinsend)
„Wir mögen Gefahr.“


- Schnitt -

Nach Sonnenaufgang machen sich die drei nach Norden auf.


Gabrielle weiß, dass das wieder einer der Momente ist, die sie so sehr liebt. Der Moment, in dem sie das gute Gefühl hat, das Richtige zu tun.


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