Kapitel 1: Die Armee des schwarzen Drachen
- Aufblendung -

GEFÄNGNIS

In einem dunklen Korridor, der sich schließlich als Zellenblock herausstellt, führen zwei Gefängniswärter einen Häftling zu seiner Zelle, während man von den anderen Insassen Hustanfälle und qualvolle Schreie vernimmt.
Am Ende des langen Ganges halten die Wärter an und öffnen das Gittertor einer Zelle. Der neue Sträfling blickt sich noch einmal ängstlich um, bevor er schließlich von einem der Wachen in den kleinen, schmutzigen Raum hineingestoßen wird.



WÄRTER:
„Na, mach schon. Ab in dein neues Zuhause!“

In der Ecke der Zelle gegenüber sitzt ein Mann mit kurzen, schwarzen Haaren und einem leicht vernarbten Gesicht. Er starrt mit verlorenem Blick vor sich hin. Im Hintergrund ist zu hören, wie die Wachen die Zelle des neuen Gefangenen abschließen und mit schnellen Schritten wieder den Block verlassen. Die schwere Holztür am anderen Ende des Korridors fällt schwungvoll ins Schloss. Doch all das realisiert der Mann nicht. Er ist komplett im Gedanken versunken. Vor seinem geistigen Auge erinnert er sich an etwas...


RÜCKBLENDE

Amphipolis, Dorf

Ein trüber Tag in einem Dorf. Es ist später Nachmittag in Amphipolis und durch einige graue Wolkendecken kündigt sich Regen an. Die meisten Leute gehen prompt in ihre Häuser, um nichts von dem bevorstehenden Unwetter abzubekommen und nur zwei Kinder halten sich noch in der freien Luft auf. Ein kleiner, aber für sein Alter kräftig aussehender Junge und ein schwarzhaariges, hübsches Mädchen. Sie laufen fröhlich um einen Brunnen herum und spielen. Das Wetter scheint ihnen nichts auszumachen. Da öffnet sich ein Fenster eines nahe gelegenen Hauses und eine Frau streckt mit einem ernsten Gesichtsausdruck den Kopf hinaus.

CYRENE:
„Xena! Komm herein, es zieht ein Sturm auf!“

Das Mädchen dreht sich um und sieht ihre Mutter respektvoll, aber auch leicht genervt an.

XENA:

„Nur noch ein paar Minuten, Mutter.“

Die Frau nickt und schließt das Fenster wieder. Xena wendet sich wieder dem Jungen zu, der sie angrinst.

JUNGE:
„Vielleicht hat deine Mutter Recht und wir sollten hinein gehen.“

XENA:
(grinst)
„Nur weil du Angst hast zu verlieren.“

Die beiden Kinder setzen ihr Spiel fort.

- Schnitt -

Amphipolis, Umliegende Felder

Zwei Bauern sind auf dem Feld noch am Arbeiten. Der Eine ist groß und blond und sein Kollege eher klein und rothaarig. Der große Bauer blickt leicht genervt nach oben zum dunklen Himmel.

BLONDER BAUER:
„Dieses Sauwetter...“

Der andere klopft ihm aufmunternd auf die Schulter.

KLEINER BAUER:

„Ist doch gut für die Ernte, wenn es viel regnet.“

BLONDER BAUER:
„Ja, gut für die Ernte, unangenehm für die Arbeit.“

Der kleine Bauer macht eine kurze Pause und wischt sich behutsam den Schweiß von der Stirn. Er lässt seinen Blick über den Horizont schweifen, als auf einmal in seinem Gesicht Verblüffung erscheint, die sich dann rasch in Angst umwandelt.
Während er nach vorne starrt, wird er durch einen leichten Schubs des anderen Bauern aus der Konzentration gerissen.

BLONDER BAUER:
„Hey, träumst du? “

Der kleinere Bauer bekommt kein richtiges Wort heraus, worauf ihn der andere skeptisch anblickt. Der rothaarige Bauer stottert, hebt langsam seine rechte Hand und weist in die Ferne.

BLONDER BAUER:
„Was?“

Mit diesen Worten sieht der Blonde in die Richtung, in die der andere Bauer zeigt, und lässt überrascht seine Sense fallen.



BLONDER BAUER
„Oh, bei allen Göttern... ALARM!“

Er packt den anderen beim Arm und sie rennen, begleitet von Warnrufen, zum Dorf. Die Leute öffnen neugierig ihre Fenster und sehen nach draußen. Auch Xena und Kastos schauen überrascht zu den heranstürmenden Bauern. Und was sie hinter den beiden erblicken, zaubert ebenfalls blankes Entsetzen auf ihr Gesicht:
Ein rotes Wappen, bestückt mit einem schwarzen Drachen, welches vom Wind durchgewirbelt wird, ragt inmitten einer großen Armee triumphal nach oben. Die Krieger tragen schwarze Rüstungen und sie reiten mit hohem Tempo auf Amphipolis zu. Ihre Pferde stampfen fest in den etwas schlammigen Boden.

Kurz bevor die Reiter das Dorf erreichen, haben sich ein paar Bauern Mistgabeln und rostige Schwerter geschnappt und stehen erwartungsvoll da, während sich andere in ihren Häusern verbunkern. Xena und Kastos blicken immer noch versteinert in die Ferne und man erkennt Ratlosigkeit in ihren Gesichtern.

Dann wird plötzlich ein Fenster von Xenas Haus aufgerissen und Xenas Mutter ruft sie erneut zu sich. Doch Xena bleibt wie angewurzelt stehen und denkt nach, während die Armee das Dorf erreicht und die Krieger die ersten Bauern brutal niederstrecken.

Es werden brennende Fackeln auf die Häuser geworfen, um die Leute dazu zu zwingen, herauszukommen.

CYRENE:

„Xena, komm sofort rein!“

Doch Xena scheint zu wissen, dass sie im Haus schlechtere Überlebenschance hat.
Kastos stupst sie von hinten an und zeigt mit der Hand in den Brunnen.

KASTOS:
„Los, halt dich am Seil fest.“

Er lässt sie mit dem Seil ein paar Meter in den steinigen, schmalen Brunnen hinunter und Xena versteckt sich in der Dunkelheit. Vom Inneren des Brunnen aus vernimmt Xena das Aufeinanderprallen der Schwerter, die Schreie, das Brennen des Feuers und sie hört mit an, wie Kastos um Hilfe ruft, als er von einem der dunklen Krieger gepackt wird. Als das Gemetzel vorüber ist, klettert Xena mit letzter Kraft nach oben und sieht in weiter Ferne, wie Kastos auf einem der Pferde sitzt. Traurig starrt sie ihm hinterher.

ENDE RÜCKBLENDE


Schließlich wird Kastos wieder in die Realität zurückgeholt. Schnell wischt er sich eine Träne aus dem Auge, stand auf und beginnt langsam, mit den Händen auf dem Rücken, hin und her zu gehen.

Der neue Sträfling sitzt auf dem etwas staubigen Bett in seiner Zelle und hält sich verzweifelt die Hände an den Kopf. Dann vernimmt er erstmals Geräusche von gegenüber und wird auf Kastos aufmerksam. Er steht auf und geht bis an den Rand seiner Zelle, wo er mit seinen Händen die Gitter umfasst und mit konzentriertem Blick hinüber sieht. Der Häftling scheint Kastos wieder zu erkennen.

GEFANGENER:
„Psst.“

Kastos wird nun auch auf den Mann aufmerksam und tritt aus dem dunklen Teil seiner Zelle hervor.

KASTOS:
„Ja?“

GEFANGENER:
„Bist du Kastos?“



KASTOS:
„Wer will das wissen?“

GEFANGENER:
„Niemand. Ähm ich habe nur gehört, dass du der Anführer der legendären Armee
des schwarzen Drachens seiest. Ist das wahr?“


KASTOS:
(wütend)
„Diese Armee existiert nicht mehr! Schon lange nicht mehr, verstanden?!
Ich bin damit fertig!“


GEFANGENER:
„Schon gut, schon gut.“

Der Sträfling wendet sich wieder ab und setzt sich auf sein Bett.


- Schnitt -

ZIMMER

Xena und Gabrielle schlafen tief und fest in ihren Betten.

Auf einmal öffnet sich, wie von Zauberhand, das einzige Fenster des Zimmers und die Kerze neben Xenas Bett erlischt.
Gabrielle bemerkt nichts, doch Xena öffnet nach einem weiteren Windstoß langsam und etwas verschlafen die Augen.


- Überblendung zu: -

SPEKTRALE WELT

Plötzlich umgibt völlige Dunkelheit den Raum, nur Xena und das Bett auf dem sie lag sind noch zu erkennen. Gabrielle ist mit einem Mal auch nicht mehr da.

Die Kriegerprinzessin starrt etwas verwirrt in die Dunkelheit, als plötzlich wieder die Gestalt in dem schwarzen Umhang erscheint. Die blaue Kugel auf seinem Zepter leuchtet und sie tritt etwas näher an Xena heran.

XENA:

„Wer bist du?“

Auf einmal wird das Gesicht der Gestalt in Licht getaucht.
Es ist eine leicht durchsichtige Erscheinung. Sie sieht menschlich aus und antwortet mit einer normalen Stimme.

GESTALT:
„Ich bin Mavagan. Ein Zauberer. Für lange Zeit habe ich das Erdenreich nicht mehr
betreten. Doch nun hast du mein Interesse geweckt.“


XENA:
(leicht verunsichert)
„Und was willst du von mir?“

MAVAGAN:
(grinst)
„Ich will, dass du die Tiefen deiner Seele erforscht und zu deinem wahren Selbst
zurückkehrst. Nur so kannst du mir dienen.“


XENA:
(selbstbewusster)
„Wieso sollte ich das tun?“

MAVAGAN:

„Es ist dein Schicksal.“


XENA:
„Ich habe mein Schicksal vor langer Zeit in andere Bahnen gelenkt und ich denke
nicht daran, es rückgängig zu machen.“


MAVAGAN:
„Das wird sich ändern... ich werde bald wieder unter euch weilen.“

Mit den letzten Worten verdunkelt sich die Kugel des Zepters.
Mavagan löst sich langsam auf und ist schließlich verschwunden.


- Überblendung zu: -

ZIMMER

Xena reißt die Augen wieder erschrocken auf und merkt, dass sie sich wieder in der realen Umgebung befindet.

XENA:
(flüstert)
„Er kommt näher...“


- Schnitt -

GEFÄNGNIS

Wieder im Gefängnis, wo ein Wärter seine übliche Wachrunde durch den Zellenblock absolviert. Gemächlich schlendert er an den zahlreichen Gefangenen vorbei und summt eine Melodie vor sich hin.
Währenddessen lehnt sich Kastos in seiner Zelle an dem kleinen Gitterfenster in der Wand und blickt nach draußen, als plötzlich ein grelles, blaues Licht auf ihn zukommt. Er hat keine Gelegenheit auszuweichen und wird von dem Licht komplett in einen Bann gezogen. Seine Augen leuchten für einen Moment blau auf und eine finstere Stimme flüstert ihm etwas zu.

Dann verschwindet das Licht und Kastos sinkt zu Boden. Kein anderer Insasse hat diesen Vorfall bemerkt.

Die Wache nährt sich dem Ende des Ganges und somit auch Kastos' Zelle. Kurz bevor sie jedoch bei der Zelle angelangt wäre, bekommt ein Häftling in der Zelle daneben auf einmal einen heftigen Hustenfall. Der Wärter wirft einen prüfenden Blick hinein und sieht den Mann dann genervt an.

WÄRTER:
„Sei ruhig!“

Während der Gefängniswärter sich auf den Sträfling konzentriert, kommt Kastos' Hand langsam aus seiner Zelle hervor und greift vorsichtig nach dem Zellenschlüssel, welchen der Wärter um seinen Gürtel trägt. Schließlich bekommt er ihn und schnell lässt er seine Hand wieder in seiner Zelle verschwinden. Der hustende Mann beruhigt sich dann wieder und die Wache geht kopfschüttelnd wieder zurück in Richtung Ausgang. Bevor er die Tür zum Ausgang öffnet, bleibt er ruckartig stehen und blickt hinunter zu seinem Gürtel. Er bemerkt, dass der Schlüssel weg ist und dreht sich mit wütendem Blick um.

WÄRTER:
„Was zum...?“

Kastos steht mit düsterem Blick auf einmal vor ihm. Blitzschnell tritt er dem Wärter in die Weichteile, so dass dieser zusammensackt und in die Knie geht. Der Wärter stöhnt kurz auf vor Schmerzen und seine Backen sind aufgeblasen.

KASTOS:
(grinst)
„Wachablösung.“

Mit einem schwungvollen Schlag ins Gesicht schlägt Kastos die Wache schließlich nieder.


- Ausblendung -