Einleitung: In der Bibliothek
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BIBLIOTHEK VON ALEXANDRIA, LESESAAL
Gabrielle sitzt vor zahlreichen Schriftrollen, die sich auf dem Tisch, die sie umgebenden Bänke, und auf dem Boden befinden, nahe einem Fenster. Ab und an hebt sie den Kopf und blickt versonnen nach draußen. Dann wendet sie sich wieder seufzend der ihr vorliegenden Papyrusrolle zu.
Ein paar Schritte weiter stehen zwei Schreiber und tuscheln miteinander. Ein älterer Herr in kostbarer Kleidung - ganz offensichtlich ein Würdenträger - scheucht sie auseinander.
BEN-HA:
Geht es voran?
GABRIELLE:
Ich weiß nicht. Bis jetzt habe ich noch nichts Eindeutiges. Diese da
(deutet auf einen Stapel zu ihren Füßen)
müssen erst übersetzt werden. So kann ich nichts damit anfangen...
BEN-HA:
Du bekommst jede Unterstützung, die du brauchst.
GABRIELLE:
Das weiß ich.
Ben-Ha zieht sich wieder zurück, dreht aber noch einmal um.
BEN-HA:
Kann ich sonst noch etwas für dich tun?
GABRIELLE:
Ein paar Karten könnten hilfreich sein. Je älter desto besser. Wenn es geht, assyrische
oder phönizische.
BEN-HA:
Land- oder Seekarten?
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BIBLIOTHEK VON ALEXANDRIA, KOPIERSTUBE
TUR:
Sie schnüffelt schon seit Tagen.
Keiner weiß genau, wonach sie sucht, oder wie lange sie bleibt.
BAHRIJA:
Wer beobachtet sie?
TUR:
Wir wechseln uns ab. Momentan behält sie Yemaha, der zweite Schreiber, im Auge.
BAHRIJA:
Hat sie einen Verdacht?
TUR:
Ich glaube nicht, wir sind sehr vorsichtig. Außerdem muss sowieso immer mindestens
einer von uns Schreiber anwesend sein, so fällt es überhaupt nicht auf.
BAHRIJA:
Gut soweit. Ich will jede Rolle sehen, die durch ihre Hände geht.
TUR:
Und wie lange sollen wir diese Schmierenkomödie noch durchziehen?
Lass uns einfach zuschlagen. Je eher, desto besser.
BAHRIJA:
Doch nicht hier in aller Öffentlichkeit, du Idiot!
TUR:
Wer ist hier der Idiot? Wir verlieren doch nur Zeit.
BAHRIJA:
Glaubst du ernsthaft, dass wir erfolgreich sein werden, wenn du Wicht sie anrührst?
TUR:
Ihr wird nichts anderes übrig bleiben. Wenn sie nicht parieren will, weiß ich schon,
wie ich sie dazu bringe.
BAHRIJA:
Du hast offensichtlich keine Ahnung, wen du da vor dir hast.
TUR:
Eine Frau. Und? Auf mich macht sie keinen Eindruck. Sie ist eine von der Sorte,
die alles tun wird, nur damit ich sie aus meinen Klauen lasse.
BAHRIJA:
Ach ja?
TUR:
Ja.
BAHRIJA:
(schaut ihn herausfordernd an - nach einer Weile)
Ich warte
TUR:
Worauf?
BAHRIJA:
Greif sie an. Aber ich garantiere dir, wenn jemand alles tun wird, dann du. Immerhin ist
sie ein barmherziger Mensch. Sie wird dich nicht allzu sehr leiden lassen.
TUR:
Was redest du da?
BAHRIJA:
Sie ist keine einfache Schriftgelehrte. Ihr Name ist Gabrielle.
Auch bekannt als die streitbare Bardin.
TUR:
DIE Gabrielle? Die streitbare Bardin aus Poteidaia? Amazonenkönigin?
Xenas Gefährtin? Hier in Alexandria, in unserer Bibliothek!?
(bekommt einen gehetzten Gesichtsausdruck)
Wir müssen sie loswerden. So schnell wie möglich. Sonst fliegt alles auf.
BAHRIJA:
Ich sage doch, du bist ein Idiot.
(packt ihn unsanft am Kinn)
Du wirst genauso weitermachen, wie bisher. Keine Auffälligkeiten.
Und reiß dich zusammen. Das ist ja erbärmlich wie du dich aufführst. Sie weiß doch gar
nichts von unseren Plänen.
TUR:
Wie kannst du das glauben? Sie ist bestimmt...
BAHRIJA:
(eindringlich)
Sie weiß nichts! Und wenn du weiterhin so dienstbeflissen agierst wie gewohnt, wüsste
ich nicht, was sich daran ändern sollte.
(wendet sich zum Gehen)
Und Tur - keine Sperenzchen.
TUR:
Du denkst doch nicht, dass...
BAHRIJA:
Wie schön, dass wir uns verstehen.
- Schnitt -
BIBLIOTHEK VON ALEXANDRIA, LESESAAL
Der Lesesaal ist vollbesetzt. An den Wänden lehnen Studenten und lauern auf freiwerdende Plätze. Gabrielle dreht und wendet eine Schriftrolle. Sie murmelt hörbar vor sich hin. Von den anderen besetzten Tischen dringen Zischlaute zu ihr herüber.
GABRIELLE:
Eigenartig.
Sie schaut sich suchend um und entdeckt einen Schreiber, der vor einem hohen Regal steht und den Inhalt zählt. Als er seinen Kopf leicht in ihre Richtung dreht, hebt sie ihren Arm, doch er reagiert nicht. Sie beginnt zu winken - keine Resonanz.
GABRIELLE:
Ähm -
(zögerlich und sehr gedämpft)
Würden Sie...
(kollektives Zischen)
Verzeihung.
(der Schreiber zählt immer noch)
Hallo?
Allgemeines Zischen und Schnauben. Gabrielle macht Anstalten sich von ihrem Platz zu erheben, sofort rücken ein paar Studenten von der Wand ab. Sie überlegt es sich anders und wirft die nächstgelegene Schriftrolle nach dem Schreiber. Sie landet direkt zu seinen Füßen. Er schaut sich suchend um. Als Gabrielle ihm zuwinkt, winkt er zurück und schenkt ihr dabei ein strahlendes Lächeln. Er hebt die Rolle auf und hält nach einer Lücke im Regal Ausschau. Gabrielle trommelt daraufhin lautlos mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte. Schließlich wird es ihr zu bunt.
GABRIELLE:
Missjö.
Empörtes Schnauben von allen Tischen. Der Schreiber nähert sich mit einem überaus ernsten Gesichtsausdruck Gabrielles Tisch.
JOSCA:
Madame. Obwohl es mich über alle Maßen entzückt, dass Sie der fränkischen Sprache
mächtig sind - ich bin wahr'aftig überaus entzückt -
(ergreift ihre Hand und deutet einen Handkuss an)
Enchante... muss ich Sie dennoch daran erinnern, dass wir 'ier in der Bibliothek
eine Nutzungsordnung 'aben, zu deren Ein'altung sich alle Besucher verpflichtet
'aben. Bei einem nochmaligen Verstoß muss ich Sie leider verweisen.
Bei dieser Bemerkung machen zwei Studenten Anstalten, Gabrielles Tisch zu erobern.
GABRIELLE:
(verschwörerisch)
Ich hätte alles getan, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen.
(deutet auf die Schriftrolle in seiner Hand)
Die habe ich dabei verloren.
JOSCA:
Ah, ich verste'e.
- Schnitt -
BIBLIOTHEK VON ALEXANDRIA, AMTSZIMMER VON BEN-HA
BEN-HA:
Wir haben noch keine Ergebnisse. Egal, was ich heranschaffe - nichts. Sie verlangt
nach alten Seekarten und diesen Stapel da
(nickt zu einem Berg von Schriftrollen)
will sie übersetzt haben.
BAHRIJA:
Aha. Und worum handelt es sich?
BEN-HA:
Soweit ich das überblicke, konzentriert sie sich auf alte Mythen. Phönizisch,
palästinisch, assyrisch...
BAHRIJA:
Hat sie eine Ahnung, was hier tatsächlich geschieht?
BEN-HA:
Auf keinen Fall. Sie ist überaus naiv, was diese Dinge angeht. Sie lässt sich leicht einlullen.
(lächelt hinterlistig)
Meine Position als Leiter der Bibliothek ist dabei sehr hilfreich.
BAHRIJA:
Du leistest gute Arbeit. Erfülle ihr weiterhin jeden Wunsch - sie soll uns in guter
Erinnerung behalten.
BEN-HA:
Du willst sie laufen lassen, wenn das vorbei ist?
BAHRIJA:
Das habe ich nicht gesagt. Aber solange sie uns nützlich sein könnte, darf es ihr an nichts fehlen.
Wir können uns keine Nachlässigkeiten leisten.
BEN-HA:
Ich bin froh, für dich zu arbeiten. Dilettanten sind mir ein Greuel.
BAHRIJA:
Mir auch. Trage also Sorge dafür, dass meine gute Meinung von dir keine negative
Veränderung erfährt.
BEN-HA:
Du kannst dich felsenfest auf mich verlassen.
BAHRIJA:
Das höre ich gerne.
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