Kapitel 1: Nur ein schwarzer Kasten?
- Aufblendung -

ZUR GLEICHEN ZEIT IM BEDUINENZELT

YUSSUF:
„...bis zum nächsten Wasserloch, waren es noch ein paar Stunden. Hamil schlug vor, dass
wir von unserer geplanten Route abweichen sollten, um stattdessen bei einer Oase halt zu
machen. Uns allen schien das eine gute Idee. Zumal wir nicht wussten, wie viele die anderen
waren. Und wenn sie vor uns angekommen wären, hätte das Wasser wohl nicht für uns
alle gereicht.“


NARAM:
„Ich verstehe.“

YUSSUF:

„Aber Dagas war strikt dagegen. Er meinte, wenn wir zu spät ankämen, würde die Karawane
ohne uns losziehen und wir würden einen Monat warten müssen, bis wir uns dann auf
den Weg machen könnten.“


NARAM:
„Also gab es plötzlich zwei Parteien. Aber ihr habt euch nicht getrennt?“

YUSSUF:
„Letztendlich war es genau das, was wir wohl getan hätten. Aber dann sahen wir in der
Ferne erneut die beiden Frauen. Zumindest dachten wir, dass wir sie gesehen hätten.
Doch so schnell wie sie aufgetaucht waren, waren sie auch wieder verschwunden.“


NARAM:
„Sie waren es also, zu denen die Spuren gehörten?“

YUSSUF:
„Wie vermuteten es. Schließlich einigten wir uns darauf, dass drei aus unserer Mitte den
beiden folgen sollten. Von ihnen hatten wir seitdem nichts mehr gesehen oder gehört.“


NARAM:
„Das alles klingt sehr mysteriös. Doch erzähle weiter.“

YUSSUF:
„Unser Weg führte uns in ein Tal in der Nähe von Tel Mardikh. Kurz bevor man hindurch
ist, verengt sich die Schlucht und genau dort stand diejenige mit den hellen Haaren, ihre
Waffe noch in der Hand. Es schien, als hätten wir sie überrascht. Um sie herum lagen die
Leichen unserer Freunde.“


RÜCKBLENDE

DAGAS:

„Du Ungeheuer, was hast du getan?“

ENDE RÜCKBLENDE


AHMED:
„Wo war die andere?“

YUSSUF:
„Ich weiß es nicht. Sie war nirgends zu sehen.“

CHALEM:
„Unglaublich. Eine Frau gegen drei schwerbewaffnete Männer.“

NARAM:
„Und bist du überzeugt, dass sie es war, die deine Freunde tötete.“

YUSSUF:
„Nun - wirklich sicher kann man nie sein. Doch die Anzeichen sprachen alle dafür, ihre Waffen
und ihre Kleidung waren blutbefleckt. Sie muss ihnen heimtückisch aufgelauert haben.“




FEYSAL:
„Keine Frau könnte so gut kämpfen. Eine Ungläubige schon gar nicht. Sie schmückt sich nur
mit fremden Federn.“

(Stille - nach einer Pause)

CHALEM:
(zu Naram)
„Wir können nicht zulassen, dass die Sicherheit unserer Handelswege erneut bedroht wird.“

NARAM:
(nickt zustimmend)
„Sag, was passierte, als ihr am Wasser angelangt wart?“


- Schnitt -

GABRIELLE:
„Nichts mehr zu sehen. Sie verschwinden genauso schnell, wie sie auftauchen.“

XENA:
„Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie uns genau beobachten.“

GABRIELLE:
„Fast schon unheimlich.“


- Schnitt -

YUSSUF:
„Obwohl wir uns in der Überzahl befanden, hielt uns der schreckliche Anblick der
Mordopfer zurück. Aber Dagas war in Eile, er wollte sich von nichts und niemanden
aufhalten lassen.“


RÜCKBLENDE

GABRIELLE:
„Wenn ihr nicht zurückweicht, ergeht es euch ebenso.“



Sie hält sie mit ihren Sais in Schacht.

DAGAS:
„Du willst uns wohl vom Wasser fernhalten. Aber das wird dir nicht gelingen. Aus dem Weg!“

Er prescht mit seinen Tieren an ihr vorbei, die anderen verhalten sich zögerlich.

GABRIELLE:
„An eurer Stelle würde ich davon nichts trinken.“

YUSSUF:
„Wieso?“

GABRIELLE:
(mit teuflischem Grinsen)
„Ich habe es vergiftet.“

ENDE RÜCKBLENDE


- Schnitt -

GABRIELLE:
„Die Wüste ist sonderbar.“

XENA:
(nickt)


„Am Tage siedend heiß, nachts so kalt, dass man zu erfrieren droht. Und wenn man nicht daran stirbt, dann erstickt man im Schlaf.“

GABRIELLE:
„Du machst Scherze.“

XENA:
„Nein wirklich. Als ich das erste Mal hier war, habe ich es selbst erlebt.“

RÜCKBLENDE

Im Hintergrund Stadtmauern, innerhalb der Einfriedung herrscht überall hektische Betriebsamkeit.

XENA:
(VOICE OVER)
Damals wurde Mari gerade zur Hauptstadt. Ihr Reichtum gründete sich auf den
Handelsbeziehungen zu anderen Städten und den Einnahmen aus den Zöllen, die man, auf
die über den Euphrat verschifften Waren, erhob... nach unseren letzten Streifzügen hatten
wir uns, so weit es ging, von den Hauptverkehrswegen zurückgezogen. Denn der Lugal,
der Herrscher über dieses Gebiet, hatte zahlreiche Suchtrupps nach uns ausgesandt - wir
waren schon eine Plage, kein Treck war vor uns sicher. Außerdem war die Konkurrenz groß.
Wenn man nicht als erstes zuschlug, blieb nichts Verwertbares. Nur noch die toten Körper
in der dörrenden Sonne.

(ENDE VOICE OVER)


Im Sand liegen Skelettteile.

ENDE RÜCKBLENDE


XENA:
„Was hast du?“

GABRIELLE:
„Ach nichts. Ich denke nur darüber nach, wie sehr du dich gewandelt hast.“

RÜCKBLENDE

(Soldaten in der Wüste)

XENA:
(VOICE OVER)
Auf jeden Fall konnten wir uns diesmal nicht in unseren gewohnten Schlupfwinkel
zurückziehen. So waren wir gezwungen uns nach einem geeigneten Lagerplatz umzusehen.
Damit wir ein Minimum an Schutz hatten, beschlossen wir in die Berge zu gehen. Aber
auch der Weg dorthin war von Patrouillen zu gut bewacht, als dass man unbemerkt
durchstoßen konnten. Wir mussten also dahin, wo uns niemand vermuten würde.
Und so nächtigten wir in der Goloz-Senke.

(ENDE VOICE OVER)

ENDE RÜCKBLENDE


GABRIELLE:
„Die Goloz-Senke?? Warum vermutete niemand, dass ihr diesen Ort aufsuchen würdet?“

XENA:
„Die Goloz-Senke gilt als verflucht. Keiner der dort war, soll je lebend zurückgekommen
sein. Uns scherte das nicht. Verwegen wie wir waren, glaubten wir, es mit allem und
jedem aufnehmen zu können. Angst war etwas für Feiglinge.“


RÜCKBLENDE

XENA:
„Es wird kein Feuer gemacht. Hört ihr? Ich will nicht, dass wir zufällig entdeckt werden.
Du und du - ihr beiden übernehmt die erste Wache! Positioniert euch weiter oben - jeder
übernimmt einen halben Radius. Nehmt euch zu essen und zu trinken mit. In vier Stunden
werdet ihr abgelöst. Naram!“


NARAM:
„Xena?“

XENA:
„Du weißt was erzählt wird?“

NARAM:
„Ja.“

XENA:
„Und - glaubst du es?“

NARAM:
„Nein. Und du?“


XENA:
„Natürlich nicht. Ich halte es für dummes Gerede, aber ich will kein Risiko eingehen. Halte
ebenfalls Wache und informiere mich sofort, wenn du etwas Ungewöhnliches bemerkst.“


NARAM:
„Gut.“

XENA:
„Naram, - sei vorsichtig.“

NARAM:
„Keine Sorge.“

ENDE RÜCKBLENDE


- Schnitt -

ZELT

Naram und Chalem sind allein

CHALEM:
„Sie ist wieder da. Und diesmal ist sie nicht allein.
Wenn sie die Standarte in ihren Besitz ...“


NARAM:
„Selbst wenn sie zurück sein sollte. Es kann nicht sein, dass sie hinter all den Überfällen
und Morden steckt.“


CHALEM:
„Unser Volk verbindet mit der Standarte seine gesamte Existenz. Viele sprechen ihr
magische Kräfte zu.“


NARAM:
„Denkst du ich wüsste das nicht. Aber letztendlich ist es nur ein schwarzer Kasten,
mit einer Leier.“


CHALEM:
„Nein, nicht nur eine Leier! Die goldene Lyra von Ur! Und nicht nur ein Kasten.
Die Geschichte unseres Volkes ist darauf festgehalten.“


NARAM:
„Und genau deshalb, kann sie es nicht gewesen sein. Sie ehrt die Standarte genauso, wie
wir es tun.“


CHALEM:
„Wir haben einen Zeugen. Er ist der einzige Überlebende.“

NARAM:
„Sie hat nie jemanden entkommen lassen!“

Ahmed tritt ein.

AHMED:
„Ein Reiter meldet, dass ein Sandsturm aufkommt. Wir sollten uns soweit es geht eingraben,
damit er über uns hinweg zieht.“


NARAM:
„Ausgerechnet jetzt. Das wird alle Spuren vernichten.“
(wendet sich an Chalem)
„Lass uns noch einmal die Karte studieren. Die eine Fährte soll nach Süd-West führen.
Eine zweite nach Westen. Und besonders ungewöhnlich ist diese hier - abseits der
üblichen Routen. Verflucht!“

(zu Ahmed)
„Wir können nicht bleiben. Lass sofort das Lager abbrechen, wir teilen uns auf.“

CHALEM:
„Wenn sie nur halb so gut ist, wie du sagst, werden wir sie nie finden.“

Ahmed ist schon wieder auf dem Weg nach draußen.

NARAM:
(ruft ihm hinterher)

„Sorge dafür, dass sich alle in Bewegung setzen. Und schicke Yussuf zu mir, ich brauche
dringend ein paar Antworten.“



- Schnitt -

XENA:
„Das Leben in der Wüste war gefährlich - ist es noch. Wenn einem nicht die sengende
Sonne zu schaffen machte, waren es Sandstürme oder Wanderdünen, die über alles
hinwegrollten. Es gab viele Karawansereien und Hadis, aber die waren gut bewacht.
Nur dort konnten Händler und Reisende Schutz finden - vor uns.“


GABRIELLE:
„Hattest du je in Erwägung gezogen eine Karawanserei anzugreifen?“


XENA:
„Ich war gierig, aber nicht dumm. Wenn es jemand versucht hat, endete es immer mit
einem furchtbaren Gemetzel. Die dort stationierten Kämpfer sind immer noch sehr gut
ausgebildet - ich selbst hatte die Basis dafür geschaffen.“


GABRIELLE:
„Du?!?“

XENA:
„Ja, als ich in den Diensten des Königs von Akkad stand.“

GABRIELLE:
„Ihr habt euch überworfen?“

XENA:
„Ja.“

GABRIELLE:
(macht eine nachdenkliche Pause, dann)
„Xena, warum erzählst du mir nie alles über dich? Ich wusste gar nicht, dass du hier
in den Diensten eines Königs standest. Damals, als wir gegen die Römer kämpften, hast
du auch kein Wort darüber verloren, dass du die Wüste wie deine Satteltasche kennst.“


XENA:
„Es schien mir nicht wichtig.“



GABRIELLE:
„Aber für mich ist es wichtig! Ich erfahre alles immer als Letzte.“

XENA:
„Gabrielle! Bitte!! Das Thema hatten wir doch schon durch. Abgesehen davon bist du
manchmal unberechenbar. Man weiß dann nie, wie du reagieren wirst, wenn man dir
alles erzählen würde. Du handelst dann immer so..., so...“


GABRIELLE:
„Spontan?!“

XENA:
„Spontan?! Nein - unbedacht wäre der treffendere Ausdruck.“

GABRIELLE:
„Un-be-dacht.“
(wütend)
„Du hältst mich also für unbedacht. Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, dass ich
vielleicht nur deshalb, wie du es nennst - unbedacht - handle, weil ich bei meinen
Entscheidungen nicht alles berücksichtigen kann, da mir wichtige Details
vorenthalten werden?“


XENA:
„Nun...“

GABRIELLE:
„Xena! Wenn du als Anführerin einer Bande Informationen für dich behältst, um deinen
Status zu sichern, ist es das eine. Aber wir zwei sind keine Bande!“


XENA:
„Sind wir nicht? Also ich fühle mich sehr mit dir verbandelt.“

GABRIELLE:
„Ich habe dich durchschaut. Du versuchst nur vom eigentlichen Thema abzulenken.
Also sag es schon.“


XENA:
„Was?“

GABRIELLE:
„Was bezweckst du mit diesem "harmlosen" Pferdetransport wirklich?“

XENA:
(unschuldig)

„Nichts.“

GABRIELLE:
„Das glaube ich aber nicht.“


- Ausblendung -