Kapitel 4: Es wird nach meinen Spielregeln gespielt
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BURG, ABSTELLRAUM -- NACHT


Eine in der Dunkelheit nur als Schemen erkennbare Gestalt befindet sich im Zimmer. Sie entnimmt etwas dem Regal...


- Schnitt-

BURG, GROSSER RAUM -- SPÄTER MORGEN

Der Raum sieht aus wie eine überfüllte Taverne. Es herrscht ein Gewirr von Stimmen. Alle von Kleons Krieger sind da.

Kleon befindet sich unter ihnen. Er ist sichtlich zufrieden.
Einer der Männer nähert sich ihm.

MANN:
„Wann ziehen wir denn weiter? Wir sind schon seit einem Monat hier und in den
umliegenden Dörfer ist fast nichts mehr zu holen... “


KLEON:
„Geduld war noch nie deine Stärke. Ich muss mich etwas intensiver mit unserer Gefangenen beschäftigen. Aber zu deiner Information: Es wird nicht allzu lange dauern.“

MANN:
„Und was ist mit der Kleinen? Irgendwie habe ich das Gefühl, du magst sie wirklich...“

Kleon starrt den Mann an.

KLEON:
(langsam; mit gefährlichem Unterton)
„Pass lieber auf was du sagst. Die Kleine ist mir völlig egal. Sie ist nur das Mittel zum
Zweck. Wenn das Ziel erreicht ist, werde ich sie verschwinden lassen.“



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BURG, GABRIELLES ZIMMER

Gabrielle richtet sich im Bett auf.
Sie wirkt zerschlagen und hat offensichtlich schlecht geschlafen.

Bevor sie zur Türe geht, greift sie unter das Kopfkissen und holt etwas hervor: Das Chakram. Sie hängt es an ihrem Gürtel.


- Schnitt zu: -

BURG, GROßER RAUM

Den Raum betretend schaut sie nach Kleon Ausschau und erblickt ihn auch bald.
Als dieser Gabrielle bemerkt, lächelt er. Die Kriegerbardin lächelt zurück.
Die anderen Männer mustern sie verstohlen, unterbrechen ihre Gespräche jedoch nicht.

KLEON:
„Ich wollte dich gerade holen lassen. Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht.“

Die Bardin nickt. Dann nähert sie sich ihm.

KLEON:
„Komm.“

Er weist einladend zum Tisch.

GABRIELLE:
(Blick zum Tisch; zögernd)
„Was ist mit Xena? Ich habe gestern bemerkt, dass du ihr nicht besonders
viel zu essen gibst.“


KLEON:
„Ich werde schon schauen, dass sie nicht verhungert.“

GABRIELLE:
„...Nein, so meinte ich das eben nicht. Ich will dir nichts vorwerfen.
Im Gegenteil: Mir ist da so eine Idee gekommen, wie sie noch mehr leiden könnte: Warum
bringst du sie nicht in hierher? Dann kann sie zusehen, wie WIR essen; natürlich gefesselt.“


KLEON:
(wirft ihr einen überraschten Blick zu)
„Na ja...“
(er zögert kurz und grinst dann böse)
„...warum auch nicht?“

Er winkt einige Männer zu sich und befiehlt ihnen, Xena zu holen.

Bald darauf wird diese hereingeführt.

Gabrielle starrt die Kriegerprinzessin an, ein undeutbarer Ausdruck in ihrem Gesicht.
Xenas Bewegungen sind leicht fahrig. Der Nahrungsentzug macht sich sichtbar, ebenso wie die schlechte Schlafmöglichkeit.

Sie ist aber nicht geschlagen oder gar gefoltert worden, was Gabrielle mit einer gewissen Erleichterung wahrzunehmen scheint. Die Männer gehen 'nur' grob mit ihr um.

Sie fesseln Xena an die Wand. Die Kriegerprinzessin blickt in keinem Moment auf.

Die anderen Männer essen ruhig weiter. Auch Kleon setzt sich nun mit Gabrielle an den großen Tisch und beginnt zu essen. Es ist wieder ein ziemlich üppiges Mahl. Der Weinkrug wird herum gereicht.


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Ein Grossteil der Speisen auf dem Tisch sind weg.

Einige der Männer wirken angeheitert; die meisten schläfrig, manch einer versucht ein Gähnen zu unterdrücken. Es ist ziemlich ruhig geworden.

Auch Kleon hat auf einmal Mühe, ein Gähnen zu unterdrücken.
Er runzelt die Stirn. Verständnislos blickt er seine Männer an und dann den Weinbecher in seiner Hand.

Dann fällt sein Blick auf die Kriegerbardin die im Gegensatz zu allen anderen noch munter zu sein scheint.

Verwirrung macht sich in seinem Gesicht breit und er schielt zu ihrem unberührten Weinbecher.

KLEON:
„Warum trinkst du nichts?“

Gabrielle wirft rasch einen Blick um sich: Die meisten Männer reagieren nicht sondern schauen belämmert in die Gegend. Zufrieden nickt sie.
Dann steht sie auf, wobei das Chakram unabsichtlich den Tisch berührt und kurz ein dumpfer Klang ertönt. Der Kriegsherr reißt überrascht die Augen auf und starrt die Waffe an.


KLEON:
„Woher...? Was..?“

GABRIELLE:
(mit einem Grinsen im Gesicht)
„Es ist nicht besonders klug Wein zu trinken, in welchem Opium gemischt wurde,
wenn man nicht krank ist.“

Es dauert einige Sekunden bis Kleon begreift.

KLEON:
„Du... du hast was in den Wein getan?“

GABRIELLE:
(spöttisch)
„Ich habe es mit Opium gemischt unter anderem. Ein gutes Schmerzmittel, aber auch
als Schlafmittel ist es ganz nützlich. Danke noch, dass du mir den Ort gezeigt hast,
wo du die Heilmittel aufbewahrst. War nicht so schwer, es nachher da rauszuholen.“

Kleons Reaktion kommt zu spät, Gabrielle wirft sich auf ihn und zieht ihm den Ring an der Hand ab. Sofort verwandelt er sich in einen etwa 48-jährigen Mann.

Jetzt werden die anderen Männer auf das Geschehen aufmerksam und greifen ein.
Es sind noch zehn Männer, die trotz ihres angeschlagenen Zustandes, in der Lage sind, Gabrielle anzugreifen. Die anderen Männer sind entweder ganz außer Gefecht gesetzt oder halten sich mehr schlecht als recht auf den Beinen.

Die Kriegerbardin greift an ihren Gürtel und schleudert das Chakram. Sie setzt vier der Angreifer außer Gefecht, ohne sich dabei von der Stelle zu bewegen.
Die restlichen Männer stürmen auf sie zu.

Sie weicht aus, fängt das Chakram auf und rennt zu der Ecke, wo sich ihre Sais und Xenas Schwert befinden. Mit den Sais in den Händen geht sie nun in den Angriff über.

Sie rollt sich über den Boden und kommt direkt hinter den Männern wieder zum Stehen. Bevor die bereits angeschlagenen Leute sich umdrehen können, hat Gabrielle bereits zwei von ihnen mit der stumpfen Seite ihrer Saisgabeln niedergestreckt.

Geschickt teilt sie Fußtritte aus und es dauert nicht lange, bis der letzte Angreifer zu Boden geht.

Sie schaut sich um und wirkt recht zufrieden mit sich und ihrer Leistung, was ein kleines Lächeln auf ihre Lippen zaubert während sie die Sais wieder einsteckt.

Dann wendet sie sich an Kleon, der nur erstarrt zugeschaut hat.


GABRIELLE:
„Du hast mich unterschätzt. Wie konntest du nur glauben, ich würde mich gegen meine
Seelenverwandte wenden?! Ich habe deinen Worten von Anfang an keine Beachtung geschenkt.
Dabei muss ich schon zugeben, du wusstest wirklich, wo du mich treffen konntest um mich
gegen Xena aufzustacheln. Doch du hast einen groben Fehler gemacht.
Denn du hast genau die Worte zitiert, die wir gesprochen hatten. Du warst bestens über
das informiert, was wir in letzter Zeit erlebt hatten. Mir wurde bald klar, dass du gewisse
Fähigkeiten haben musstest; dass du uns beobachten konntest. Und zwar hast du uns seit
Japa beobachtet, mit den Ereignissen davor konntest du wenig anfangen.“

Kleon starrt sie wütend an.

Seine Überheblichkeit ist gewichen und er macht nun den Eindruck eines verwundeten Tieres, das nach einem Ausweg aus seiner Misere sucht.


GABRIELLE:
„Ich habe dich unauffällig dazu gebracht, dich zu verraten. Wenn ich Sätze nicht vollendet
habe. Wenn ich über Xena gelästert habe und du mich mit Details angestachelt hast. Details,
die du eigentlich gar nicht wissen konntest. Also habe ich mitgespielt.
Du sagtest, es gäbe keine Regeln. Und ob es die gab. Du hast nach meinen Regeln gespielt.
Ich bin eine Bardin und verstehe es gut, mich zu verstellen. Ich wollte dich dazu bringen,
mich nicht mehr zu überwachen. Mir zu Vertrauen.
Und du hast es geschluckt.“


„Weil ich auch dann gespielt habe, wenn du nicht da warst, als ich mich eigentlich
unbeobachtet glauben sollte. Ich wusste nur noch nicht, ob du ein Gott bist oder ob
du diese Fähigkeit woanders her hattest. Aber als ich den Ring bemerkt habe, wurde
mir auch der Rest klar.
Als Bardin kenne ich mich in allen möglichen Sagen und Geschichten aus, somit habe
ich die Verzierungen auf dem Ring schnell erkannt: Der Ring verleiht seinem Träger
Unverwundbarkeit, kann ihm seine Gestalt ändern lassen und, eben, gibt ihn die
Möglichkeit andere Orte zu betrachten.
Was folgte, war nicht schwer.“


KLEON:
„Ich habe dich vielleicht unterschätzt. Du hast mich besiegt. Aber das wirst du bereuen.“

Während er spricht, zieht er einen kleinen Dolch aus seinem Ärmel und wirft ihn auf Xena.

KLEON:

„Am Ende siege ich immer“

Da sie gefesselt ist, hat die Kriegerprinzessin keine Möglichkeit ihm Auszuweichen.

Der Dolch fliegt direkt auf sie zu.


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GROßER RAUM

Der Dolch fliegt direkt auf Xena zu.

Blitzschnell reagiert Gabrielle und wirft das Chakram. Es trifft den Dolch in der Luft und lenkt ihn von seiner Bahn sodass er an der Wand neben Xena abprallt. Die Waffe durchschneidet Xenas Fesseln, dann setzt es seinen Weg fort und kommt direkt auf Kleon zu. Diesmal lässt Gabrielle die Waffe gewähren. Getroffen fällt der Kriegsherr zu Boden; dann fängt die Kriegerbardin das Chakram wieder auf.

GABRIELLE:
(zum am Boden liegenden Kleon; abschätzig)
„Du hast mich wirklich unterschätzt.
Ach, und... mit dem Chakram brauche ich seltsamerweise nicht zu üben...“

Langsam blickt Gabrielle nun zu Xena. Die Kriegerprinzessin kniet noch auf dem Boden.
Gabrielle geht auf sie zu und reicht ihr die Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen.

Aber Xena nimmt die Hand nicht. Sie schaut Gabrielle nur durchdringend an.

Gabrielle blickt zurück. Eine Weile lang schauen sie sich gegenseitig in die Augen. Eine quälend lang wirkende Ewigkeit. Die Bardin schluckt. Eine Träne läuft ihr über das Gesicht. Sie bemerkt es nicht. Langsam geht sie in die Hocke.

GABRIELLE:
(kaum hörbar; mit bebender Stimme)

„Xena, ich... ich kann nur sagen, dass es mir leid tut... Glaub mir, es ist mir verdammt
schwer gefallen. Ich musste es tun, damit er mir vertraut. Ich hätte alles darum
gegeben, wenn es einen anderen Ausweg gegeben hätte. Es war schlimm für mich,
dich so zu verletzten. Denn ich wusste, dass ich dich mit meinen Worten genau treffen
würde. Aber es hat mir mindestens so wehgetan wie dir. Bitte, verzeih mir. Ich...“

Ihre Stimme bricht ab, sie unterbricht den Blickkontakt und beißt sich auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zu verhindern.

Xena schaut sie noch einen Moment durchdringend an.
Dann nähert sie sich ihrer Seelenverwandten und fasst sie sanft am Kinn sodass Gabrielle sie anschauen muss. Ein schwaches Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht. Auch sie hat nun Tränen in den Augen.

XENA:
(leise)
„Verzeih du mir, dass ich tatsächlich einen Moment lang geglaubt habe, du würdest es
ernsthaft meinen. Ich habe dir das Ganze nur noch schwerer gemacht. Außerdem...“

(sie stockt kurz)

„Außerdem... wenn deine Worte nicht zumindest einen wahren Kern gehabt hätten,
wäre ich auch nicht so betroffen gewesen...“

Gabrielle schüttelt heftig den Kopf.

GABRIELLE:
(laut)
„Nein!“
(leiser)
„Nein, Xena“
(ihre Stimme wird wieder zu einem Wispern)
„Ich habe es nicht ernst gemeint. Sicher, als es passierte, habe ich mich vielleicht so gefühlt.
Eine kurze Zeit lang. Aber ich verstehe, warum du das getan hast, ich hätte an deiner
Stelle nicht anderes gehandelt. Und ich weiß, wie schwer dir der Entscheid gefallen ist.“

(ein zaghaftes Lächeln umspielt ihren Mund)
„Ich mache dir ganz bestimmt keine Vorwürfe...“

Sie schauen sich noch einige Sekunden in die Augen; in ihren Blicken liegt nun Vergebung und Liebe. Dann umarmen sie sich. Ganz fest.

GABRIELLE:
(flüsternd)
„Ich liebe dich.“

XENA:
(lächelt)
„Ich liebe dich auch...“

- Schnitt-

GROßER RAUM

Schließlich lösen sie sich voneinander.

Gabrielle blickt auf die am Boden liegenden Männer.

GABRIELLE:
(mit etwas rauer Stimme, leise)
„Lass uns endlich von hier verschwinden. Was ist? Kommst du mit?“

XENA:
„Ich bin immer an deiner Seite, wohin du auch gehst.“

GABRIELLE:
(grinst)
„Ich wusste, dass du das sagen würdest...“



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DORF -- NACHMITTAG

Gabrielle betrachtet das rege Treiben auf dem Marktplatz.
Xena nähert sich ihr von hinten und bleibt neben ihr stehen. Die Bardin schaut sie kurz an und wendet ihren Blick dann wieder zum Marktplatz.

GABRIELLE:
(nachdenklich)
„Ich frage mich immer noch, was es diesen Traum hatte. Es war eigentlich eine Vision. Und
doch auch wieder nicht. Jedenfalls, wenn ich diesen Traum nicht gehabt hätte... er hat mir
geholfen zu merken, dass mit Kleon was nicht stimmt.
Also muss es zumindest eine gute Macht gewesen sein. Vielleicht... Eli?“

Sie sieht Xena fragend an.

XENA:
„Wir haben eine gute Verbindung zu ’oben’. Möglich wäre es. Aber wenn sich der oder
die Verantwortliche nicht meldet, sollten wir einfach froh sein, dass es so passiert ist.“

(nach einer Pause)
„Was machst du mit dem Ring?“

Ihre Freundin nimmt den Ring hervor.

GABRIELLE:
„Ein erstaunliches Kunstwerk. Um die Herkunft dieses Ringes gibt es verschiedene
Geschichten. Jedenfalls habe ich ihn noch bei mir, aber nicht mehr lange...
Wir sind ja nicht mehr weit vom Athen entfernt. Im Meeresgrund wird er dann vorerst
keinen Schaden mehr anrichten...“

Xena lächelt. Sie legt ihre Hand auf die Schulter ihrer Seelenverwandten.

XENA:
„Komm, wir müssen weiter. Athen erwartet uns, dann Rhodos und dann endlich Ägypten.“

GABRIELLE:
(lächelnd)
„Mhhh... Eine Seereise nach der anderen...
Dieses Vergnügen hatte ich ja auch schon länger nicht mehr.“

Die Kriegerprinzessin grinst.




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Disclaimer

Zwar wurde das Vertrauen der Charaktere während des Schreibens dieser Folge auf die Probe gestellt, aber es kam zu keinem ernsthaften Schaden.
Auch wenn es zunächst nicht den Anschein hat, bleiben wir der Devise treu ’Frau denkt und lenkt’.