Kapitel 3: Getrennte Wege
- Aufblendung-

BURG, AUF DEM GANG

Beim helleren Licht im Gang ist erkennbar, was aufgrund des schwachen Lichtes in der Zelle nicht zu sehen war: In den Augen der Bardin glitzern mühsam zurückgehaltene Tränen...

Zum Erstaunen von Porpax rennt sie auf einmal los, zurück in ’ihr’ Zimmer.


- Schnitt zu: -

BURG, GABRIELLES ZIMMER

Dort angekommen, setzt sie sich aufs Bett und lässt dann den Tränen freien Lauf.


GABRIELLE:
(schreiend)
„Ich hasse dich Xena!“

Und einige Sekunden lang ist tatsächlich reiner Hass auf ihrem Gesicht zu erkennen.

Für einen aufmerksamen Beobachter ist es allerdings nicht klar, ob es tatsächlich Hass aus Wut ist: Es könnte auch Hass aus Trauer sein; ein verzweifelter Hass...

Dann vergräbt die Bardin ihr Gesicht in das Kissen...


- Schnitt-

BURG, KERKERZELLE

Kleon tritt in die Zelle ein, in der sich Xena befindet. Er trägt in der Hand einen Krug und etwas, das nach Brot aussieht.

KLEON:
„Ich dachte, du willst vielleicht etwas essen.“

XENA:
(wütend)
„Was hast du mit Gabrielle angestellt?“



KLEON:
„Nichts. Ich habe sie nur an einer empfindlichen Stelle getroffen.
Ich muss ehrlich sagen, ich bin selber erstaunt, dass es so gut geklappt hat.“

Xena schaut ihn verwirrt an. Für einige Sekunden erscheint Unsicherheit in ihrem Gesicht, Zweifel. Aber dann schüttelt sie den Kopf.

Kleon merkt, was in ihr vorgeht.

KLEON:
„Du vertraust ihr, nicht wahr? Du willst nicht wahrhaben, was offensichtlich ist.
Na, sie wird dich schon eines Besseren belehren.“

Er stellt den Krug und das Stück Brot auf den Boden, aber so, dass es gerade noch außer Reichweite der Kriegerprinzessin liegt.

Dann verlässt er die Zelle.

Xena blickt ihm wütend nach.


- Schnitt-

BURG, GABRIELLES ZIMMER

Nachdenklich schaut sich die Bardin im Zimmer um. Plötzlich begibt sie sich zur Tür und nachdem sie einen tiefen Atemzug genommen hat, öffnet sie sie.


- Schnitt-

BURG, GANG

Sie späht in den Gang. Keine Wache steht vor ihrer Tür. Sie wirkt zufrieden und betritt den Gang, die Türe hinter sich abschließend.
Sie folgt dem Gang. Als sie an die Abzweigung kommt, die zu Xenas Zelle führen würde, zögert sie einen Moment. Ein gequälter Ausdruck erscheint in ihrem Gesicht, verschwindet dann aber wieder und sie geht rasch weiter, in Richtung des großen Raumes.


- Schnitt-

BURG, GROSSER RAUM

Kleon inspiziert gerade das Chakram und schaut auf, als Gabrielle den Raum betritt.

KLEON:
„Ich wollte dich gerade holen lassen.“

Die Bardin lächelt ihn an. Dann nähert sie sich ihm.

GABRIELLE:

„Was machst du da?“

KLEON:
(Blick auf das Chakram)
„Eine äußerst interessante Waffe.
Du kannst doch damit umgehen, oder? Zeigst du es mir?“


GABRIELLE:
„Besser nicht, ich habe Morimoto damit getötet, aber das war wohl eher ein Zufall. Ich
habe nie richtig gelernt damit umzugehen. Und ich möchte niemanden verletzten.“


KLEON:
„Komm schon, du hast es weitere Male benutzt. Und was kann schon groß passieren...?“

Er spielt an einem Ring an seinem Finger herum. Gabrielle schaut einige Sekunden nachdenklich darauf und dann ebenso nachdenklich auf das Chakram.


GABRIELLE:
„Na gut.“

Sie nimmt Chakram und wirft es.
Es schlägt gegen die Wände, berührt aber kein bestimmtes Objekt.

Als es zurückkommt, steuert es direkt auf Kleon zu.


- Ausblendung; Aufblendung-

Das Chakram steuert direkt auf Kleon zu.

Dieser ist so überrascht, dass die Waffen ihn getroffen hätte, wenn Gabrielle ihn nicht in diesem Moment beiseite geschubst hätte. Dabei streift die Waffe ihren Arm und verletzt sie. Erst als es wieder an eine Wand geschlagen hat, fängt sie es, etwas ungeschickt, auf.

GABRIELLE:
(erschrocken)
„Siehst du, genau das meinte ich. Ich habe die Waffe nicht genügend im Griff.“

KLEON:
„Du hast mir das Leben gerettet. Wenn du mich nicht beiseite gestoßen hättest...“
(besorgt)
„Zeig mal deine Wunde.“

Die Wunde ist nicht tief, aber sie blutet.

KLEON:
„Komm, ich werde sie dir verbinden.“


- Schnitt-

BURG, ABSTELLRAUM

Kleon führt sie in ein kleineres Zimmer, das eine Art Abstellkammer zu sein scheint.
An einer der Wände ist ein großes Regalgestell. Er legt das Chakram auf eins der Bretter und nimmt dann vom Regal Verbandzeug.

GABRIELLE:
(schaut auf das große Regal)
„Das ist ja ein riesiger Heilmittelvorrat...“

Der Kriegsherr nickt während er die Wunde versorgt.

GABRIELLE:
(mustert das Regal)
„Was machst du nun mit Xena? Du hast mir immer noch nicht erklärt, was eigentlich
dein Plan ist.“

Die Wunde ist fertig behandelt und er versorgt die Heilmittel.

KLEON:
„Ich weiß noch nicht recht ob dir wirklich ganz vertrauen kann...
Das verstehst du, oder? Später vielleicht...“

Gabrielle nickt.


- Schnitt-

BURG, GROßER RAUM

Kleon sitzt gegenüber von Gabrielle an einem Tisch auf dem sich verschiedene Speisen befinden, allerdings haben die beiden offensichtlich schon gegessen.
Der Raum wird von einigen Kerzen beleuchtet. Die Beiden sind allein. Fast könnte die Szene als romantisches Essen bezeichnen.

KLEON:
„Was hältst du davon, nachher deiner Freundin einen Besuch abstatten?“

GABRIELLE:
„Sie ist nicht meine Freundin. Und wenn, dann möchte ich alleine gehen.“

KLEON:
„Na, schön, wie du meinst.“

Er nähert sich etwas zu ihr und legt eine Hand auf ihr Oberarm. Die Kriegerbardin zuckt kurz zusammen und schaut die Hand an. Für einen kurzen Moment erscheint ein Lächeln auf ihrem Gesicht während sie Kleon anblickt, doch dann steht sie auf.

GABRIELLE:
„Ich bin müde. Ich möchte nur noch kurz Xena einen Besuch abstatten, dann werde
in mein Zimmer zurückkehren.“

KLEON:
„Es ist zwar noch ziemlich früh, aber wie du meinst. Du weißt wo das Zimmer liegt.“

Er schaut ihr spöttisch nach während sie den Raum verlässt.


KLEON:
(leise, zu sich)
„ Na, mal schauen, ob du mir doch nur was vorgespielt hast. Ich habe genau bemerkt,
wie du einige Früchte eingesteckt hast. Ob du sie Xena gibst?“


- Überblendung zu: -

BURG, KERKERZELLE

Die Ketten klirren als sich Xena bewegt. Sehnsüchtig schielt sie zum Wasserkrug und zerrt dann wütend an den Ketten, aber sie kann ihn nicht erreichen.

Dann lehnt sich wieder an die Wand zurück. Sie fährt sich mit der Zunge über den trockenen Lippen. Auf einmal wirkt sie mutlos.

Einige Sekunden später betritt Gabrielle die Zelle. In der Hand trägt sie die Früchte. Die Kriegerprinzessin schaut auf.

GABRIELLE:
„Ich dachte, du hast Hunger...“

XENA:
(erleichtert)
„Und ob. Danke, dass du mir was bringst.“

Einen Moment lang starrt die Bardin sie verständnislos an. Dann blickt sie auf die Früchte in ihrer Hand. Ein Grinsen erscheint auf ihrem Gesicht.

GABRIELLE:
„Ach so, du meinst diese Früchte... Nein, die sind für mich.“

Wie als Beweis beißt sie herzhaft in eine hinein. Dabei setzt sie sich vor Xena hin.


GABRIELLE:
(kauend)
„Ich meinte bloß, weil du das, was dir Kleon gebracht hat nicht angerührt hast.“

Im Blick, den ihr die Kriegerprinzessin zuwirft, liegt vollkommene Verständnislosigkeit und Trauer.

XENA:
(leise)
„Ich kann es nicht erreichen“

Gabrielle schaut den Krug und das Stück Brot an.

GABRIELLE:
(langsam)
„Nun ja... Ich könnte es dir geben...“

Xena sieht sie erwartungsvoll an, doch die Kriegerbardin rührt sich nicht.

GABRIELLE:
(nachdem sie die Frucht fertig gegessen hat)
„Was schaust du mich so an? Sag das Schlüsselwort!“

Die Kriegerin blickt einige Sekunden verständnislos, ja ungläubig drein.

XENA:
„Gabrielle...“
(sie stockt, ringt nach Worten)

GABRIELLE:
(spöttisch lachend)
„Nein, nicht dieses Schlüsselwort. Ich meine, du musst mich darum bitten!“

Xena sucht den Blickkontakt mit ihrer Seelenverwandten.
Der Ausdruck in ihrem Gesicht ist ähnlich dem, den sie in Gabrielles Albtraum hatte. Ein Blick voller Emotionen; Leid, Liebe, Trauer, Unverständnis. Dieses Mal erwidert diese jedoch kalt den Blick und es ist die Kriegerprinzessin, die nach mehreren Sekunden den Kontakt unterbricht.

XENA:
(ganz leise)
„Bitte...“

GABRIELLE:
(höhnend)
„Hast du was gesagt? Du musst lauter sprechen!“

XENA:
(lauter)
„Bitte, Gabrielle... “

Gabrielle schaut sie noch einen Augenblick nachdenklich an.

GABRIELLE:
(grinsend)
„Das gefällt mir schon besser... Eigentlich sollte ich ja verlangen dass du...
aber ja, ach, egal.“

Sie steht auf und nimmt das Stück Brot. Dabei stößt sie absichtlich den Krug um; das Wasser verteilt sich auf dem Boden.


GABRIELLE:
(mit gespieltem Entsetzten)
„So was Blödes, das war ziemlich ungeschickt von mir. Aber es ist nicht so schlimm,
bestimmt hast du nicht so viel Durst.“

Sie reicht Xena das Stück Brot.

Die Kriegerprinzessin schluckt leer. Sie starrt das Stück Brot in ihrer Hand an und wirft einen letzten sehnsüchtigen Blick auf das jetzt untrinkbar gewordene Wasser.
Dann atmet sie tief durch, sichtlich darum bemüht, die Fassung nicht zu verlieren.

GABRIELLE:
„Oh, sehe ich da Tränen in den Augen der Kriegerprinzessin? Nicht doch, die
Kriegerprinzessin ist doch eine Heldin. Sie wird doch nicht weinen!“


XENA:
(leise, leicht hilfloser Ton)

„Warum...
Warum tust du das?“

Gabrielle lacht trocken und steht auf.

GABRIELLE:
(verbittert)
„...Akemi war dir wichtiger...“

XENA:
„Das ist nicht wahr. Und du weißt das.
Irgendetwas geht hier vor. Das bist einfach nicht... du. Kleon...“


GABRIELLE:
(unterbricht sie)
„...ist ein Kriegsherr der versucht, Nutzen aus der Situation zu ziehen. Ich bin nicht
dumm. Und ich hab auch nicht vor, auf die andere Seite zu wechseln.
Aber dennoch hat er recht. So benehmen sich Freunde nicht.“

(leicht stockend)
„Ich weiß nicht was er mit dir vorhat. Ich werde nicht zulassen, dass er dir
ernsthaft was antut. Und ich werde uns beide hier rausholen, keine Angst. So sehr
habe ich mich doch nicht geändert. Trotz allem könnte ich nie tatenlos zusehen,
wenn er dich ernsthaft verletzten sollte.“

(kurze Pause)
„Aber da er im Moment genug mit der Genugtuung hat, die Kriegerprinzessin gefasst
zu haben, werde ich uns auch nicht sofort hier raus bringen. Nicht heute. Nicht morgen.
Vielleicht in einer Woche. Und sobald wir draußen sind, gehen wir
getrennte Wege...“

Die Kriegerprinzessin erwidert nichts mehr und starrt die Wand hinter der Bardin an.

GABRIELLE:
(nach einigen Sekunden; bissig)
„Na, dann wünsche ich der Kriegerprinzessin noch eine gute Nacht.“

Sie verlässt den Raum.


- Schnitt zu: -

BURG, VOR DER KERKERZELLE

Draußen wendet sie sich an den Mann, der vor der Zelle Wache steht.

GABRIELLE:
(ruhig)
„Bring ihr nachher etwas Wasser, bevor sie uns noch verdurstet.“

Ihr Gesicht ist zu einer ausdruckslosen Maske erstarrt; sie wirkt vollkommen gefühllos...



- Schnitt zu: -

BURG, ZIMMER

Im Zimmer angekommen legt sie sich aufs Bett.

GABRIELLE:
(murmelt, beinahe unverständlich leise)
„Ich hoffe jetzt ist klar, auf wessen Seite ich stehe...“

Auch wenn sie angespannt ist, wirkt sie doch irgendwie zufrieden....


- Überblendung zu: -

BURG, BURG, GROßER RAUM -- ZUR GLEICHEN ZEIT

Kleon lächelt sichtlich zufrieden.

Dann lässt er mit einer flüchtigen Handbewegung das magische Fenster verschwinden, durch das er die Auseinandersetzung zwischen Xena und Gabrielle gerade noch beobachtet hat.

Sein Grinsen wird richtig gemein.

Das Geräusch einer sich öffnenden Tür lässt ihn aufblicken. Porpax betritt den Raum.

KLEON:
„Ich denke ich habe es geschafft.
Zugegeben, es klappt erstaunlich gut. Wie ich ja in den letzten Wochen beobachtet hatte,
ist das Band, das die Beiden verbindet, sehr stark. Irgendwie verwundert es mich, dass
ich es tatsächlich geschafft habe, es zu zerstören. Es klappt schon fast zu gut...“

(für einige Sekunden runzelt er die Stirn, zuckt dann aber mit den Schultern)
„Na ja, anscheinend habe ich genau Gabrielles wunde Stellen getroffen.
Auch wenn sie mir teilweise was vorzuspielen versucht, um mein Vertrauen
zu erlangen, so hat sie doch klar gemacht, dass sie vorerst nichts gegen mich
unternehmen wird. Ich muss sie vorerst nicht mehr überwachen.“


PORPAX:
„Dadurch dass du sie in den letzten Wochen beobachtet hast, wusstest du wo Gabrielle
verletzlich ist und wo Xena; wo die schwachen Stellen der Beiden liegen... Dass diese
ganze tief greifende Geschichte in Japa passiert ist, war wohl dann gerade Glück.“


KLEON:
(grinsend)
„Du weißt, ursprünglich hatte ich vorgesehen, Gabrielle zu töten, vor Xenas Augen.
Wenn die Ermordung ihres Bruders einer der Auslöser für die böse, schlimme Xena
gewesen war, hätte die Ermordung ihrer besten Freundin bestimmt auch etwas bewirkt
und sei es nur, dass die Kriegerprinzessin Hass auf mich empfunden hätte. Es wäre
ein Anfang gewesen. Aber wenn es mir gelungen ist, die Beiden zu trennen... umso besser; ich
kann Gabrielle als Mittel gegen die Kriegerin einsetzen... Auch wenn sie immer noch meine
Gegnerin ist. Und doch durch diesen wunden Punkt beeinflussbar...“


PORPAX:
„Ich muss zugeben, anfangs hielt ich deine Idee für verrückt. Ich meine, schon
grundsätzlich, sich mit der Kriegerprinzessin anzulegen, mit oder ohne Ring...
Aber jetzt denke ich, du könntest es doch schaffen.“

Kleon wirft einen Blick auf einen unscheinbaren Ring an seiner Hand.


KLEON:
(leicht spöttisch)
„Hätte der Händler geahnt, was er mir für eine Macht damit versehentlich in die Hände
spielte.... Du wirst sehen, ich werde die stolze Kriegerprinzessin brechen. Sie soll denken,
dass sie ihren größten Halt, Gabrielle, verloren hat. Sie soll sich alleine fühlen. Sie soll
Hass spüren. Und sie wird, wenn ich sie lange genug bearbeite zur dunklen Seite zurückkehren.
Ich werde der Welt beweisen, dass die Kriegerprinzessin, nicht die ach-so-gute Heldin ist, für
die sie alle halten. Ich werde allen beweisen, dass, unabhängig davon mit wie vielen gute Taten
sie ihre Vergangenheit zu vertuschen versucht... tief in ihr gibt es immer noch eine dunkle Seite.
Sie ist keine Heldin und das werde ich allen zeigen. Du wirst sehen...“

Er bricht in ein gemeines Lachen aus.


- Ausblendung-