Kapitel 4: Falsches Spiel
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IM WALD -- TAG

Xena hat ein Reh erspäht. Sie schleicht sich vorsichtig heran. Als sie nahe genug ist, spannt sie den Bogen. Sie will den Pfeil gerade abschießen, da wird das Reh aufgeschreckt. Xena schaut sich um, kann aber nicht erkennen, was das Tier erschreckt haben könnte.

Sie senkt den Bogen und lauscht in den Wald. Sie vernimmt jedoch nur den Wind, der leise die Zweige der Bäume hin und her wiegt. Ein Vogel hüpft von Ast zu Ast. Aus weiter Ferne hört sie das Rauschen eines Baches.

XENA:
„Gabrielle?“

Als jedoch keine Antwort kommt, nimmt sie den Bogen und geht zurück in das Lager.


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LAGER

Michael liegt angelehnt an einen Baum, die Augen geschlossen, und erfreut sich an der Natur.

XENA:
(nervös)
„Ist Gabrielle noch nicht zurück?“

Michael sieht sich um und schüttelt den Kopf.

MICHAEL:
(grinsend)


„Ich sehe sie nicht.“

XENA:
„Ich hab ein ungutes Gefühl. Ich werde mich mal umsehen.“

MICHAEL:
„Soll ich dich begleiten?“

XENA:
„Nein, vielen Dank. Mach dir nur keine Mühe, ich komm schon zurecht.“


MICHAEL:
„Dein Hochmut ist unbeschreiblich, aber... Wie du meinst.“

Er lehnt seinen Kopf zurück an den Baum und schließt erneut die Augen.
Die Kriegerprinzessin geht zurück in den Wald und dann in die Richtung aus der sie den Bach gehört hat. Er kann nicht allzu weit sein. Sie hofft, Gabrielle dort zu finden.


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HÜTTE

Vorsichtig öffnet die Bardin die Tür zum Nebenraum. Wieder vernimmt sie die leise Stimme.

STIMME:
„Mutter... ich bin hier.“

Gabrielle betritt den Raum. Es ist dunkel. Der Fußboden knarrt. Das morsche Holz macht keinen stabilen Eindruck.

Plötzlich fällt die Tür hinter ihr zu. Erschrocken dreht sie sich um und sieht...

GABRIELLE:
(erschrocken)
„Hoffnung?
Nein... das kann nicht sein... du bist nicht hier... das bilde ich mir nur ein.“


HOFFNUNG:
(hämisch lächelnd)
„Hallo...Mutter. Oh doch, ich bin hier. Aber das ist gewiss nicht dein Verdienst.“


GABRIELLE:
(ängstlich)
„Was willst du von mir? Ich musste es tun... Ich liebe dich, aber...“

HOFFNUNG:
„Aber??? Wie geht der Satz weiter?
Vielleicht... 'aber du bist wie dein Vater'. Nun ja, das kann ich nicht leugnen.
Komm, Mutter, nimm mich in die Arme. Ich habe dich vermisst.“

Gabrielle ist wie erstarrt. Sie kann ihren Sinnen nicht trauen. Sie will ihr Kind in die Arme schließen, ihr alles nochmals erklären.

Auf einmal fliegt die Tür auf. Mit hasserfülltem Blick steht Xena da, ihr Schwert gezogen.


XENA:
„Gabrielle, geh weg von ihr... oder von ihm.“

GABRIELLE:
„Aber das ist Hoffnung... Ich hab ihr noch soviel zu sagen...“

XENA:
(wütend)
„Hast du nicht verstanden? Geh aus dem Weg... Ich werde dieses... Ding vernichten.
Das ist nicht Hoffnung... das ist Luzifer... aber das kommt ja fast auf das Gleiche hinaus.“

Die Bardin stellt sich vor Hoffnung.

GABRIELLE:
„Ich kann das nicht noch einmal zulassen...“

XENA:
(laut)
„HAT ER DICH DENN MIT BLINDHEIT GESCHLAGEN?
WACH DOCH ENDLICH AUF!“


HOFFNUNG:
(grinsend)
„Ja, ja... Eltern und ihre Kinder. Man würde alles für sie tun. Aber das weißt du ja
selber nur zu gut. Wer hat behauptet, dass die Geschichte sich nicht wiederholen lässt?“

Sie macht eine kurze Handbewegung in Richtung der Bardin. Gabrielle fasst sich an den Kopf. Dann sinkt sie auf die Knie.
Xena sieht in die bösen Augen von Hoffnung. Ihr Hass wird immer stärker. In ihrem Kopf sieht sie Bilder aus vergangenen Zeiten. Das Leid, das Hoffnung ihnen gebracht hat. Den Schmerz, den Gabrielle hat ertragen müssen.
Sie sieht ihre Freundin am Boden kniend und fühlt ihr Leid. Sie fühlt den Zwiespalt, die Wut und das Misstrauen.

XENA:
„Luzifer!!! Gib dich zu erkennen. Lass Gabrielle gehen... Ich bitte dich...“

Xena ist verzweifelt, als sie diese Worte ausspricht. Den Teufel um etwas zu bitten ist ein letzter, verzweifelter Akt. Sie setzt ihre Seele aufs Spiel indem sie es tut.


LUZIFER/HOFFNUNG:
„So, du bittest mich... ist das dein Ernst?
Komm mit mir, aus freiem Willen, und ich verspreche dir, deine Freundin
auf ewig in Ruhe zu lassen.“


XENA:
„Auf ewig? Nichts ist auf ewig.“

Luzifer nimmt seine wahre Gestalt an und blickt auf Gabrielle herab, die noch immer am Boden kniet.

LUZIFER:
(grinsend)
„Gib mir deine Hand und ich werde mein Versprechen einhalten.“

Xena zögert. Sie sieht zu Gabrielle hinunter und dann zu Luzifer. Sie lässt ihr Schwert zu Boden fallen und streckt dem Fürsten der Finsternis ihre Hand entgegen.

Plötzlich erfüllt sich der Raum mit einem strahlenden Licht. Xena ist so geblendet, dass sie ihre Hand zurückzieht und sie vor die Augen hält. Das Licht manifestiert sich in der Gestalt von Michael.


MICHAEL:
„Aber Xena... Man hat dir doch schon den Himmel versprochen und den hast du
auch nicht bekommen.“



- Schnitt-

IN DER HÜTTE

Luzifer lässt sich durch das Erscheinen des Erzengels nicht aus der Ruhe bringen.
Gabrielle kriecht in der Zwischenzeit hinüber zu Xena und sieht beschämt zu ihr hinauf. Sie kann es nicht fassen, wie leicht Luzifer sie abermals hat täuschen können.

Xena blickt hinüber zu Michael, der inzwischen sein Schwert gezogen hat. Sie hofft inständig, dass alles nun bald ein Ende haben werde.

LUZIFER:
(selbstsicher)


„Michael, alter Freund... Ich war gerade im Begriff ein gutes Geschäft zu machen.
Du störst ein wenig.“


XENA:
„Na los, mach ein Ende mit ihm, Michael, bevor ich es mir anders überlege und es selber
in die Hand nehme.“


MICHAEL:
„Ich bin hier, um dir ein vielleicht besseres Geschäft anzubieten... alter Freund.“

Luzifer schaut den Erzengel erstaunt an, während Xena ihrer Gefährtin auf die Beine hilft.

LUZIFER:
(erstaunt)
„Ein besseres Geschäft? Seid wann handelt der Himmel mit der Hölle?“

Xena ahnt nichts Gutes. Sie und Gabrielle stehen zwischen den Fronten.

MICHAEL:
„Nun... ich habe den Auftrag, den Fürsten der Finsternis in die Hölle zurück zu befördern, aber...
eigentlich sollte ja jemand Anderes diesen Titel für sich beanspruchen.“

Xena greift nach ihrem Schwert, das sie achtlos auf den Boden geworfen hatte.

LUZIFER:
(grinsend)
„Heißt das etwa... ich darf zurückkehren? Er verzeiht mir?“

Michael schwingt sein Schwert und schlägt es mit aller Kraft auf den Boden. Die Erde beginnt zu beben. Zunächst schwach, dann immer stärker. Xena und Gabrielle werden zu Boden geschleudert. Sie halten sich aneinander fest.
Dort wo das Schwert eingeschlagen hat, öffnet sich ein Spalt. Mit jedem Beben klafft er weiter auseinander. Rauchschwaden stiegen empor und vernebeln die Sicht. Als sich die Erde langsam beruhigt, herrscht zunächst Totenstille.

MICHAEL:
„Das ist mein Angebot... Stoße Xena in die Hölle und lass sie den Platz einnehmen, der von
Anfang an für sie vorgesehen war. Und du, Luzifer, kehrst Heim in den Schoß der Familie.“

Gabrielle kann nicht fassen, was sie gerade gehört hat. Sie schaut Xena an und kann nur erahnen, was diese gerade empfindet.


GABRIELLE:
(wütend)
„Du verdammter Heuchler... du hast uns betrogen.
Wie konntest du nur? Du bist ein Engel...“


MICHAEL:
„Erzengel...
Mit dem Wort Betrug solltest du vorsichtig sein. Man sollte dem Himmel nicht ins
Handwerk pfuschen.“

Luzifer lacht schallend auf.


LUZIFER:
„Dein Angebot ehrt mich alter Freund. Aber ich habe mittlerweile viele Anhänger gefunden
und soll ich dir was sagen? Mir gefällt, was ich bin... Meine Freunde, die mich befreit haben,
wandeln auf Erden. Ich habe sie in alle Kontinente entsandt. Es wird schwierig sein, selbst
für dich, sie alle ausfindig zu machen.“


MICHAEL:
„Dann lässt du mir keine Wahl...“

Er richtet das Schwert gegen Luzifer. Doch dieser schwingt sich empor und landet hinter Xena und Gabrielle. Er wirft die Bardin zu Boden und wendet sich Xena zu.

Diese lässt ihren Kriegschrei ertönen und springt mit einem Salto über den Höllenschlund.

Die Kriegerprinzessin landet direkt neben Michael und entwaffnet ihn mit einem gezielten Tritt. Sie wirft ihr Chakram zu Gabrielle. Die Bardin fängt es auf und schleudert es Luzifer direkt in seine Brust. Der Höllenfürst bäumt sich auf. Das Chakram hat sich tief in ihn hineingebohrt. Er reißt es hinaus und sein Schrei lässt die Wände erbeben.

Währenddessen nimmt Xena das Schwert des Erzengels und springt zurück über den Abgrund. Michael ist völlig überrascht. Damit hat er nicht gerechnet.

XENA:
„Es geht doch Nichts über einen gekonnten Überraschungsangriff.
Da gibt es doch dieses alte Sprichwort... Wenn zwei sich streiten... freut sich Xena.“

Luzifer, der noch immer das Chakram in seinen Händen hält, beginnt zu wanken. Er betrachtet die klaffende Wunde in seiner Brust und sieht Gabrielle überrascht an.

LUZIFER:
„Sieh was du gemacht hast. Du... du hast mich verstümmelt.“

XENA:
(grinsend)

„Und weißt du was du mir angetan hast? Du hast mich... enttäuscht.
Dein ganzes Gerede von deiner ach so großen Macht, ist doch etwas übertrieben.
Du bist ein Blender, ein Verführer und nichts weiter. Wer dich durchschaut, wird feststellen,
dass du nur über diejenigen Macht besitzt, die es auch zulassen.“

Sie schwingt das Schwert und trennt ihm die Hand, die das Chakram hält, ab.

Der Höllenfürst ist außer sich. Er sieht zu Michael hinüber. Doch der wendet seinen Blick ab von ihm, zuckt mit den Schultern und verschwindet daraufhin vor ihrer aller Augen.

Stolz und aufrecht steht die Kriegerprinzessin Luzifer gegenüber. Das Schwert des Erzengels gegen seine Brust gedrückt.

XENA:
„Unterschätze niemals den freien Willen der Menschen.
Ob Himmel oder Hölle, das letzte Wort über sein Schicksal trifft jeder Mensch für sich allein.“

Mit einem wuchtigen Schlag gegen den Oberkörper des Höllenfürsten bringt sie ihn zum straucheln und er fällt. Xena stellt sich über ihn und hält ihm die Waffe an die Kehle.

LUZIFER:
„Wir werden uns wiedersehen... Immer dann, wenn dich Raserei überkommt, wenn
du schwach wirst, wenn du verzweifelt bist, dann bin ich bei dir.“


XENA:
„Das mag schon sein...“
(sieht zu Gabrielle)
„Aber ich bin nicht allein... Wenn ich schwach werde, dann ist sie für mich stark.“

Gabrielle hat sich erhoben und steht hinter der Kriegerprinzessin. Sie hat eine Hand auf ihre Schulter gelegt.


GABRIELLE:
„Und wenn ich verzweifelt bin, gibt sie mir neuen Mut.“

Luzifer weiß, dass er dieses Mal verloren hat. Wie ein verwundetes Tier kriecht er an den Rand des Höllenschlunds. Noch einmal sieht er zurück. Dann stürzt er sich selbst in die Tiefe.

Abermals erbebt die Erde und der klaffende Spalt schließt sich.

Es ist still.

Xena und Gabrielle verlassen die Hütte und treten ins Freie.



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IM WALD

Sie sehen sich um. Alles erscheint friedlich um sie herum. Scheinbar ist nichts geblieben von Hass und Misstrauen.

Doch sie wissen es besser. Das Böse wird immer auf sie lauern. Und es kann viele Gestalten annehmen. Es ist ihnen klar geworden, dass sie den schmalen Grad zwischen Gut und Böse, Himmel oder Hölle, nur in sich selbst finden können.
Jederzeit kann es einen neuen Angriff geben. Doch die Erfahrung, die sie gemacht haben, lässt sie erkennen, dass die Gefahr nicht nur aus einer Richtung kommen kann. Das scheinbar Gute muss nicht die Lösung der Probleme bedeuten.

Sich selbst zu vertrauen und auf die eigene innere Stärke zu verlassen ist nicht immer einfach.
Sich nur auf den Himmel zu verlassen würde bedeuten, die eigene Verantwortung abzugeben.

Die Gefährtinnen gehen nebeneinander her ohne ein Wort zu sagen. Sie machen sich auf in Richtung des Lagers.


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LAGER

Ohne Eile packen sie ihre Sachen zusammen und satteln die Pferde.

XENA:
„Also, gehen wir nun nach Ägypten?“

GABRIELLE:
„Natürlich. Das war doch eigentlich so geplant.“

XENA:
„Kannst du mir verzeihen?“

GABRIELLE:
„Was denn?“

Sie sehen sich an und wissen in diesem Moment, dass es nichts zu verzeihen gibt.
Und dennoch blieb etwas zurück. Etwas, das keine von ihnen beschreiben kann.

Sie besteigen die Pferde und machen sich auf in Richtung Demetrias


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AUF DEM WEG

GABRIELLE:
„Ich sollte wieder anfangen zu schreiben, was meinst du?“

XENA:
„Natürlich, warum auch nicht?“

GABRIELLE:
(nachdenklich)
„Hmmm... mir geht dieser Junge nicht aus dem Kopf... Beelzebub. Vielleicht sollte ich
eine Kindergeschichte schreiben. Ich habe mir da auch schon etwas überlegt...“



XENA:
„Ich höre.“

GABRIELLE:
„Also... da ist dieses Waisenkind... ich nenne es Perdicas... Nun der kleine Perry wird als
Säugling ausgesetzt und kommt bei seinen bösen Verwanden unter. Also die behandeln
ihn wirklich schrecklich. Bis er eines Tages erfährt, dass seine richtigen Eltern Magier sind
und dass auch in ihm große magische Kräfte stecken...“


Xena zieht die Zügel an.

XENA:
„Na, ich weiß nicht, ob das jemand vom Hocker haut?
Wo ist denn da Spannung und Abenteuer?“


GABRIELLE:
(schmollend)
„Na schön, ich kann auch von unserem letzten Abenteuer schreiben.
Von Xena, der Kriegerprinzessin, die sich...“


XENA:
„Ähmm... erzähl mir doch noch mehr von dem kleinen Perry, vielleicht ist das ja doch
nicht so langweilig“


GABRIELLE:
„Also...“

Und während Gabrielle erzählt, geht die Sonne unter und die Gefährtinnen reiten dem neuen Tag entgegen.


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Disclaimer

Beim Schreiben dieser Folge hatte der Autor *teuflische* Gedanken. Es wurden jedoch keine Seelen auf Dauer geschädigt.
Nur ein wenig verletzt.