Kapitel 3: Dem Rätsel auf der Spur
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KANOPUS; TEMPEL DES TOTH

Die Sonne ist längst untergegangen als sie den Tempel erreichen. Es ist ein beeindruckendes Bauwerk.
Sie schleichen an ein Fenster und können erkennen, dass noch immer lebhaftes Treiben im Inneren herrscht. Der Eingang ist von römischen Soldaten bewacht.

Im Tempel sind die Priester anscheinend mit den ersten Vorbereitungen für die große Zeremonie beschäftigt.
Überall brennen Fackeln, die den Raum erhellen. Im hinteren Teil befindet sich ein großer Altar. Zahlreiche Abbildungen und Statuen Ägyptischer Gottheiten sind um ihn herum verteilt.
Die beiden hören Schritte, die sich ihnen unweigerlich nähern. Die Person trägt einen großen Krug.

AUTOLYCUS:
„Vielleicht ein Tempeldiener?“

XENA:
„Den schnapp ich mir.“

AUTOLYCUS:
(besorgt)
„Hey, reiß dich zusammen! Wir wollen noch mit ihm reden.“

Xena schleicht zu einem großen Pfeiler und wartet, bis der Mann an ihr vorübergeht.
Dann schnellt ihre rechte Hand hervor und sie packt ihn von hinten am Nacken. Der Mann ist so überrascht, dass er keinen Laut von sich gibt.
Die Kriegerprinzessin zerrt ihn in die Dunkelheit.

Er klammert sich fest an seinen Krug. Sein Gesichtsausdruck ist von Angst gezeichnet.

MANN:
„Ich gebe euch alles was ihr wollt, nur bitte tut mir nichts.“

AUTOLYCUS:
„Wir hätten gern eine Auskunft.“

Der Mann sieht ihn verstört an. Xena lockert den Griff etwas.



XENA:
„Wenn du Lärm machst, kannst du dich von einigen wichtigen Körperteilen verabschieden.
Du sollst nur zuhören.“

Autolycus berichtet kurz was geschehen ist.

Der Mann scheint überrascht. Doch dann verwandelt sich seine Überraschung in Furcht.

MANN:
„Ich bin nur ein einfacher Diener. Mein Name ist Simut. Was ihr mir da erzählt, das wäre
ungeheuerlich. Der Hohepriester darf dieses Ritual nicht durchführen.“


AUTOLYCUS:
„Dann solltest du uns helfen.“

Er gibt Simut das Papyrus. Dieser liest es aufmerksam.

AUTOLYCUS:
„Wir glauben, dass sich der erste Hinweis auf die Pharaonengräber bezieht.“



SIMUT:
„Ja, das glaube ich auch.“

XENA:
„Nur, welches ist gemeint?“

Simut geht einige Male auf und ab. Dann bleibt er stehen.

SIMUT:
„Es heißt:
Der rechte Wächter birgt das Geheimnis.
Amenophis hält das Schloss.
Statuen gibt es viele, aber ich kenne nur zwei, die, 'die Wächterstatuen' genannt werden.
Sie symbolisieren Pharao Amenophis. Und diese Statuen befinden sich auf dem Weg
zum Tal der Könige.“

Zum ersten Mal huscht ein Lächeln über das Gesicht der Kriegerprinzessin.
Sie schöpft Hoffnung. Sie ist ganz aufgeregt.



XENA:
„Ist das weit von hier? Wir haben nur wenig Zeit. Wirst du uns den Weg zeigen?“

SIMUT:
„Wenn wir Pferde hätten, dann könnten wir es schaffen in drei Tagen dort zu sein. Ich
werde euch führen.“

Autolycus fackelt nicht lange. Er steht auf.

AUTOLYCUS:
„Ich besorge uns ein paar Pferde. Und wenn ich sie stehlen muss.“

Xena läuft ihm nach und hält ihn kurz fest.

XENA:
(lächelnd)
„Ich... ähm... du darfst sie ruhig stehlen mein Freund.“

Der König der Diebe tätschelt ihr behutsam die Hand und gibt ihr einen Kuss auf die Wange. Er weiß, wie Xena es gemeint hat. Er erkennt die Frau in ihr, die er als seine Freundin bezeichnet.



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AUF DEM WEG INS TAL DER KÖNIGE

Glühend brennt die Mittagssonne auf die Reisenden herab. Hitze, Durst und Müdigkeit sind ihre ständigen Wegbegleiter.

Sie haben nur wenig geschlafen. Doch sie können es sich nicht erlauben, eine längere Rast zu machen. Hin und wieder müssen sie ihre Reise unterbrechen, um die Pferde zu versorgen und sich selbst eine Stunde Schlaf zu gönnen.
Von Strapazen gezeichnet fallen Autolycus immer wieder die Augen zu.

XENA:
„Hey, bleib wach!“

Dabei stößt sie ihn an. Sie selber kämpft auch immer wieder gegen die aufkommende Müdigkeit an.


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WÜSTE, WÄCHTERSTATUEN

Dann endlich. Sie nähern sich zwei riesigen Statuen, die scheinbar einsam Mitten in der Wüste stehen.

Am Fuße der Statuen halten sie an und steigen erschöpft von den Pferden.

SIMUT:
„Da wären wir also.“

Autolycus nimmt den Wasserschlauch und trinkt einen großen Schluck. Dann reicht er ihn weiter.
Xena setzt sich erschöpft am Fuße einer Statue nieder. Dann nimmt sie aus einer der Satteltaschen den Papyrus und überfliegt den Text.



XENA:
„Also, hier steht:
'Der rechte Wächter birgt das Geheimnis.
Amenophis hält das Schloss.
Der Schlüssel öffnet den Weg zum ewigen Leben.'
Das hört sich ja eigentlich ganz einfach an.“

Autolycus setzt sich neben sie und lehnt seinen Kopf an den kühlen Stein.

AUTOLYCUS:
„Die Wächter sind riesig, wir müssen nach einem Eingang oder etwas
ähnlichem suchen.
Amenophis hält das Schloss.
In seinen Händen? Oder wie ist das gemeint?“

Simut geht zur linken Statue und betrachtet sie eingehend.

Einige Male geht er um sie herum, um nach einem verstecken Eingang oder einem Hinweis zu suchen. Doch ohne Erfolg. Xena und Autolycus stehen auf und beginnen ebenfalls, sich umzusehen.

SIMUT:
„Einst waren diese Statuen die Wächter des Totentempels von Pharao Amenophis. Von
der rechten Statue erzählt man sich, dass sie bei Sonnenaufgang zu singen beginnt.“



XENA:
„Vielleicht ist der Mund das Schloss?“

Autolycus lässt sich von dieser Idee sofort begeistern.

AUTOLYCUS:
„Und du sagst, du kannst nicht logisch denken? Schön, dass du wieder bei
klarem Verstand bist.“

Er macht sich sofort daran einige Seile und Haken aus seiner reichhaltigen Sammlung von Werkzeugen heranzuschaffen.



XENA:
„Was du so alles bei dir trägst!“

AUTOLYCUS:
„Ich wundere mich auch ab und zu, wo du so einige Dinge herzauberst.“

Der König der Diebe befestigt einen Haken an ein Seil und schwingt es dann so weit er kann nach oben. Er zieht einige Male, um sich zu vergewissern, dass der Haken festen Halt gefunden hat. Dann zieht er sich hinauf. Xena folgt ihm in einigem Abstand.
Nach einiger Zeit haben sie sich bis zum Kopf der Statue empor gearbeitet.

AUTOLYCUS:
„Dann lass uns mal schauen.“

Der Mund muss zunächst von einigen Schichten Sand befreit werden.

XENA:
„Eine kleine Öffnung. Siehst du sie?“



AUTOLYCUS:
„Bingo!“

Er nimmt den Schlüssel aus einem kleinen Beutel, den er um den Hals trägt.

AUTOLYCUS:
„Drück die Daumen!“

Er legt den Schlüssel, der die Form eines Skarabäus hat, in die Vertiefung. Die Statue beginnt etwas zu beben. Im Inneren des Mundes öffnet sich eine Steinplatte.

XENA:
„Sesam öffne dich!“

Xena kann erkennen, dass sich etwas darin befindet. Sie langt mit der Hand hinein und holt eine Truhe zum Vorschein.

Sofort machen sie sich an den Abstieg. Unten angekommen, kann die Kriegerprinzessin es kaum erwarten, die Truhe zu öffnen, doch Simut weist sie an, vorsichtig zu sein.
Xena zieht ihr Schwert. Mit einem gezielten Schlag zertrümmert sie den Deckel.

Ein Messer schnellt aus dem Inneren hervor und verfehlt Autolycus nur um Haaresbreite.

AUTOLYCUS:
(erleichtert)
„Ich sollte die Finger von Truhen oder ähnlichen Dingen lassen. Ich werde zu alt für so etwas.“

SIMUT:
„Da ist sie. Das muss sie sein.“

Simut nimmt das Schriftstück an sich und öffnet es.

AUTOLYCUS:
„Was steht denn drin?“



SIMUT:
„Es beschreibt den Ablauf des Rituals und die Zauberformel.
'So reinigt die Körper und salbt sie mit einem Öl aus Zedernholz.
Ihnen sollen nicht die Innereien entnommen werden.
Wickelt die Toten in Leinen.
Wiederholt dreimal die Zauberformel.
Verbrennt den Körper des Tauschopfers und neues Leben wird dem einen gegeben.'
Das Ritual war mir bekannt, aber die Zauberformel war seit ewigen Zeiten verschwunden.“


XENA:
„Ein Tauschopfer? Das ist Gabrielle. Dieser Bastard. Er muss gewusst haben, dass er
einen Körper zum Tausch brauchen würde.“


AUTOLYCUS:
„Tiberius hatte niemals vor uns Gabrielle zurückzugeben.
Wie konnten wir das auch nur denken?“

Xena spürt, wie Wut in ihr hoch kriecht.



XENA:
„Lasst uns gehen! In drei Tagen müssen wir zurück sein. Gabrielle braucht uns.
Noch ist nicht alles verloren. Wir haben die Zauberformel. Es kommt nun darauf
an, sie weise zu nutzen.“

Sie packen eilig alles zusammen und steigen auf die Pferde. Es wird eine anstrengende Rückreise werden. Fieberhaft grübelt Xena darüber nach, wie die nächsten Schritte aussehen könnten.

AUTOLYCUS:
„Da schwirrt doch etwas in deinem hübschen Kopf herum. Ich kann es förmlich sehen.“

XENA:
(nachdenklich)
„Vielleicht... Simut, bist du bereit noch etwas für uns zu tun?“

Der Tempeldiener nickt.
Mit Simut haben sie einen treuen Verbündeten gefunden und sie werden noch sehr auf seine Hilfe angewiesen sein.


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TEMPEL DER TOTH

Der Präfekt geht unruhig auf und ab. Die letzen Vorbereitungen für die große Zeremonie sind im vollen Gange.

HOHEPRIESTER:
(leise)
„Mein hoher Herr, es sind nur noch wenige Stunden die uns bleiben. Bist du sicher,
dass diese Fremden uns das bringen, was wir benötigen?“




TIBERIUS:
„Ich bin mir sicher. Es ist meine Bestimmung und die des großen Cäsar über
die Welt zu herrschen.“

Ein Tempeldiener nähert sich den beiden Männern. Er fällt auf die Knie und verbeugt sich.

TEMPELDIENER:
„Die Leichname sind vorbereitet. Es ist alles genauso, wie Ihr es befohlen habt, Präfekt.“

Tiberius nickt dem jungen Mann zu, doch will er sich lieber selbst davon überzeugen, dass alles zu seiner Zufriedenheit ist.

Er geht in eine kleine Kammer, die direkt an den großen Zeremonienraum grenzt. Der Hohepriester folgt ihm.

HOHEPRIESTER:
(flüsternd)
„Herr?
Aber erinnere dich an dein Versprechen, wenn die Zeremonie vorüber ist.“


TIBERIUS:
„Traust du mir nicht? Du wirst der alleinige Hohepriester über alle Tempel.“

Der Präfekt begutachtet die beiden Mumien. Die eine ist auf einem Altar aufgebahrt. Ein Lorbeerkranz schmückt das Haupt. Auf der Brust liegt eine purpurfarbene, reichhaltig bestickte Tunika. Darüber ein Adlerszepter.
Die andere Mumie liegt zu seinen Füßen. Es sind keinerlei Schmuckstücke zu sehen. Sie ist in schlichtes weißes Leinen gehüllt.



TIBERIUS:
„Hervorragend. Nicht mehr lange und er wird endlich zurückkommen.“

Sie verlassen den Raum und der Hohepriester widmet sich wieder dem großen Altar, während der Präfekt die Garde inspiziert, die vor dem Tempel Wache hält.


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AUßERHALB DES TEMPELS

Hinter einem Gebüsch verbergen sich drei Gestalten. Sie sind erschöpft, sie sind müde, aber sie haben eine Mission zu erfüllen. Autolycus schließt für einen Moment die Augen. Doch Xena stößt ihn an.

XENA:
(leise)
„Nicht schlafen, mein Freund. Dazu ist später noch reichlich Zeit.“

AUTOLYCUS:
„Ich bin nicht mehr der junge Mann, den du vor vielen Jahren kanntest, Xena. Ich bin
alt und ich glaube, dass dies mein letztes großes Abenteuer mit dir sein wird.“




XENA:
„Was redest du für einen Unsinn? Na warte, was Gabrielle dir erzählen wird, wenn
sie erfährt, was du da zusammen redest.“

Der König der Diebe muss schmunzeln. Er weiß, dass die Kriegerprinzessin ihn nur aufmuntern will. Aber er hat auch gewusst, dass irgendwann seine Zeit ablaufen würde.
Die Zeit als König der Diebe, sie ist vorbei. Sie gehört der Vergangenheit an. Schon lange hat er vorgehabt gehabt, sich zur Ruhe zu setzen. Dies nun soll seine letzte Reise in das Reich der Abenteuer und Legenden sein. Legenden, wie die Kriegerprinzessin eine ist und von denen er ein Teil ist. Das macht ihn stolz und vielleicht wird ihm der Abschied nicht ganz so schwer fallen, wenn dieses letzte Abenteuer ein gutes Ende finden würde.
Dann sehen sie den Präfekten. Er verlässt den Tempel und spricht mit den Wachen.

XENA:
„Simut? Hast du alles behalten was ich dir gesagt habe?“

SIMUT:
„Natürlich. Ich gehe in den Tempel und besorge euch eine Verkleidung, damit ihr
unbeachtet hineingehen könnt.“


XENA:
„Gut. Und hier, der Papyrus mit der Zauberformel. Du weißt, was du zu tun hast.“

Simut nimmt das Schriftstück. Er atmet einmal tief durch und tritt dann hinter dem Busch hervor. Zielstrebig geht er auf den Eingang des Tempels zu. Die Wachen sehen ihn nur kurz an und lassen ihn dann passieren.
Es vergeht ungefähr eine halbe Stunde bis er zurückkommt. Er hat ein paar Kleidungsstücke dabei und reicht sie den beiden Freunden.

SIMUT:
„Zieht euch um!
Ich werde nun dem Präfekten die Zauberformel überreichen. Möge Osiris mit uns sein.“


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IM TEMPEL DER TOTH

Ohne Aufsehen zu erregen und unerkannt sind sie in den Tempel gelangt. An den römischen Wachen vorbei, die sie für Tempeldiener halten.

Tiberius ist mittlerweile zurück in den Tempel gekehrt und beobachtet den hohen Priester.
Simut weist Xena und Autolycus mit einem Blick den Weg zu der kleinen Kammer, in der die Mumien aufgebahrt sind. Dann trennen sie sich.
Der Tempeldiener geht fest entschlossen auf den Altar zu und wirft sich vor ihm nieder.

SIMUT:
„Allmächtiger Toth, dein unwürdiger Diener erfleht deine Gnade.“

Der Präfekt und der Hohepriester sehen erstaunt zu Boden.

TIBERIUS:
„Wer ist dieser Wurm?“

HOHEPRIESTER:
„Das... ist Simut, einer der Tempeldiener. Was ist mit dir Sohn, erhebe dich.“



SIMUT:
„Verzeiht ihr Herren. Eine fremde Frau... Sie gab mir dieses Schriftstück.
Ich soll es Euch bringen.“

Tiberius starrt mit großen Augen auf den Papyrus. Dann nimmt er ihn und hält es wie ein Heiligtum in seinen Händen. Der Hohepriester weist Simut an, sich zu entfernen. Dieser geht tief gebeugt und entfernt sich rückwärts in Richtung der kleinen Kammer.


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