Kapitel 2: Angriff ist die beste Verteidigung
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AUF DEM WEG ZUM SCHREIN

Der Schrein liegt etwas außerhalb des Dorfes. Gabrielle schickt einige Kundschafter voraus, um die Position der feindlichen Krieger herauszufinden. Nanami, sie selber und die Anderen verharren lauernd am Rande eines Wäldchens. Von hier aus können sie den Schrein in der Ferne erkennen.

Es dauert nicht lange und die Kundschafter schließen sich der Truppe an.

SAMURAI:
(leise)
„Wir konnten sehen 12 Krieger, die Schrein bewachen.
Vier am Eingang und durch Spalt in Mauer konnten wir die Anderen sehen.
Aber wir nicht wissen wie viel Männer noch innerhalb von Schrein.“


GABRIELLE:
„Nun ja, wir sind 18, das müsste zu schaffen sein.
Wir müssen zunächst die Wachen am Eingang möglichst lautlos ausschalten.“

Der Samurai nickt.

GABRIELLE:
(bestimmend)
„Nanami, ich möchte, dass du hier bleibst.“

Auf ein Zeichen von Gabrielle schleichen sie in die Richtung des Eingangs. Auf halbem Wege trennen sie sich, um von beiden Seiten zuschlagen zu können. Jeweils zwei Samurai nähern sich unbemerkt von hinten ihren Gegnern. Mit einem geschickten Schlag setzen sie die Wachen außer Gefecht. Einem Befehl Gabrielles folgend, erklimmen sie gemeinsam und lautlos die Mauer, die den Schrein umgibt. Im Inneren ist ein kleiner Garten zu erkennen und in etwa zwanzig Schritten Entfernung marschieren weitere Wachen vor einer großen Tür auf und ab.

Im Schutz der Dunkelheit ist es zunächst nicht schwer, die Mauer unbemerkt zu überwinden.


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HINTER DER MAUER

Gabrielle hebt einen Stein vom Boden auf und wirft ihn in Richtung eines Busches, hinter dem sich einige Krieger versteckt halten. Ganz nach Plan nähern sich einige Wachen dem Ort, von dem das Geräusch zu kommen scheint. Auf diese Weise entledigen sie sich drei weiterer Gegner.

Die anderen Wachen werden misstrauisch, als ihre Kameraden nicht zurückkehren. Ein offener Kampf ist nun nicht mehr zu vermeiden.

GABRIELLE:
(laut)
„LOS GEHT`S!“

Auf das Stichwort stürmen die Samurai aus ihrem Versteck hervor und greifen mit lautem Geschrei an. Die ersten Gegner können aufgrund der Überraschung überwältigt werden. Doch dann ertönt ein lauter Gongschlag und die große Tür wird geöffnet. Etwa zwei Dutzend Krieger in voller Ausrüstung stürmen aus dem Dunkeln auf Gabrielles Truppe zu. Ein heftiger Kampf entbrennt. Katanas schlagen gegeneinander und Schreie hallen durch die Nacht. Gabrielle kämpft sich, bewaffnet mit dem Katana, durch die Reihen. Links und rechts erscheinen immer wieder neue Gegner. Hinter sich hört sie einen ihrer Krieger.

KRIEGER:
(rufend)
„MACHT IHR DEN WEG FREI!“

Sofort sind sechs Männer bei ihr und schlagen auf die Angreifer ein. Viele der Männer fallen vor ihren Augen. Freund und Feind.

Und obwohl die Gegner in der Überzahl sind, schaffen sie es, sich einen Weg zur großen Tür freizukämpfen. Noch ist das Gefecht im vollen Gange, aber es sieht danach aus, als hätten die Samurai den Feind im Griff. Selten hat Gabrielle mutigere Krieger gesehen, vielleicht bis auf eine Ausnahme.

Das Schlagen der Waffen wird leiser und nur noch vereinzelt sind Schreie zu hören. Gabrielle betritt, geschützt von zwei Kriegern, als Erste den Raum, der hinter der Tür liegt.


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IM SCHREIN

Plötzlich sehen sie einen Schatten, der sich an ihnen vorbeischleicht. Sie haben ihn zu spät bemerkt und die Person verschwindet im Dunkeln des Inneren. Es herrscht nun eine beklemmende Stille. Rücken an Rücken tasten sie sich weiter in dem Raum voran. Dann vernehmen sie das leise Knarren einer Tür und kurze Zeit später einen entsetzlichen Schrei. Von draußen sind nun Schritte zu hören und aus der Richtung der großen Tür kommen Lichter auf sie zu. Gabrielle ist unendlich erleichtert als sie erkennt, dass es einige ihrer Samurai sind, die mit Fackeln in den Händen auf sie zukommen.

GABRIELLE:
(erleichtert)
„Den Göttern sei Dank.“

SAMURAI:
„Der Feind ist geschlagen.“

Er gibt Gabrielle eine Fackel und sie gehen gemeinsam, noch immer vorsichtig, in die Richtung, aus der sie den Schrei gehört haben.

Was Gabrielle nun erblickt, lässt sie erschaudern:
Nanami liegt blutüberströmt am Boden. Ein Speer hat ihren Oberkörper durchbohrt. Ein leises Stöhnen ist zu hören und Gabrielle eilt an die Seite der Freundin.

GABRIELLE:
(schluchzend)
„Habe ich dir nicht gesagt, du sollst warten?“

NANAMI:
(flüsternd)
„Verzeih, ich wollte helfen.“

GABRIELLE:
„Was ist geschehen? Wer hat dich verletzt?“

NANAMI:
„Es muss eine Falle gewesen sein.
Sie wurde ausgelöst, als ich die Tür... die Urne... ich sah sie...“


GABRIELLE:
„Wir werden dich zu einem Heiler bringen.“

NANAMI:
„Die Essenz... die kleine Flasche... die ich dir gab...
Sie enthält eine Flüssigkeit, die dich...
für kurze Zeit... in einen... todesähnlichen Zustand versetzt...
Bring Xena das Katana.“


GABRIELLE:
(weinend)
„Nanami... bitte...“

NANAMI:
(flüsternd)
„Ich werde auf dich warten...“

Ihr Kopf fällt auf die Seite und mit einem letzten Atemzug drückt sie Gabrielles Hand. Ihre Glieder erschlaffen und sie sinkt in den ewigen Schlaf. Gabrielle weiß nicht wie lange sie die Freundin in ihren Armen gehalten hat. Doch es ist an der Zeit loszulassen. Behutsam legt sie Nanamis Kopf auf den Boden, streichelt ihr noch einmal sanft über das Gesicht und erhebt sich. Sie geht hinüber zu einer kleinen Tür, die bereits geöffnet ist. Langsam überschreitet sie die Schwelle. Die Samurai folgen ihr. Mit ihren Fackeln stellen sie sich im Kreis um ein kleines hölzernes Podest.

Und da ist sie.

Im hell erleuchteten Raum steht die Urne auf dem Podest. Gabrielle geht auf sie zu. Langsam und behutsam nimmt sie die sterblichen Überreste ihrer Gefährtin in ihre Hände. Sie drückt die Urne fest an sich, entschlossen sie mit ihrem Leben zu verteidigen.

Sie ist so unscheinbar. Sie ist staubig und zerbrechlich. Sie ist Gabrielles wertvollster, kostbarster Schatz.


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UNTERWEGS

Der Himmel ist wolkenbehangen. Erste Tropfen fallen herab. Schnell wandelt sich der leichte Schauer in einen strömenden Regen, der den Reisenden den ohnehin unzugänglichen Weg nicht leichter macht. Sie sind nun bereits den dritten Tag unterwegs, haben sich selbst und ihren Pferden kaum Ruhe gegönnt. Gabrielle, in Begleitung zweier Samurai, zieht die Zügel ihres Pferdes an.

GABRIELLE:
(erschöpft)
„Wie weit ist es noch?“

SAMURAI:
„Glaube nicht mehr weit.“
(Er deutet in die Ferne.)
„Sehen da vorn? Ist Berg Fuji.“

Der Regen erschwert die Sicht, doch nun erkennt Gabrielle den Ort, der sie ihrem Ziel ein Stück näher bringen soll. Schon einmal ist sie dort gewesen. Allein hat sie den Berg damals verlassen. Ein Gefühl der Sehnsucht steigt in ihr auf. Dort befindet sich der Brunnen, der Xena das Leben hätte zurückgeben können. Es wäre so einfach gewesen.

SAMURAI:
(in die Richtung des Berges deutend)
„Sehen Schrein von Kami Hachiman?
Ich reiten voraus. Bereite Shinshoku auf Ankunft vor.“


GABRIELLE:
„Kami Hachiman? Shinshoku? Wer ist das?“

SAMURAI:
„Kami seien unsere Götter. Hachiman Kriegsgott,
Shinshoku ist Priester. Isamu guter Mann.
Nichts haben zu befürchten.“

Der Krieger eilt voraus. Gabrielle und der zweite Samurai folgen ihm im Schritttempo.

GABRIELLE:
„Ich kenne unsere eigenen Götter ganz gut,
und den meisten traue ich nicht weiter als von 12 Uhr bis Mittag.
Aber das alles hier ist doch sehr neu und fremd für mich.“



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IM NIRGENDWO

Nanami öffnet die Augen. Wo ist sie? Was ist das für ein Ort?

Aus weiter Entfernung sieht sie eine Lichtquelle. Ohne lange zu zögern geht sie in ihre Richtung. Je näher sie kommt, umso strahlender wird der Schein. Sie verspürt das unbändige Verlangen hineinzutreten und sich mit dem Licht zu vereinigen. Doch plötzlich hört sie hinter sich ein Geräusch. Es klingt wie ein Wirbel. Er kommt immer näher auf sie zu und erfasst sie schließlich mit aller Macht. Nanami wird in die Luft gehoben.

Verzweifelt sieht sie dem strahlenden Licht nach und wird immer weiter davon weggetragen, bis sie nur noch Dunkelheit umgibt.

Dann wird sie losgelassen und fällt. Sie fällt tiefer und tiefer.


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SCHATTENREICH

Xena verharrt lauernd und abwartend an dem Ort, an dem Akemi ihr beinahe alle Hoffnung geraubt hat. Lange vernimmt sie nicht das leiseste Geräusch. Doch dann...

Wie aus dem Nichts erscheint Akemi.

AKEMI: (wütend) „Deine kleine Freundin scheint mir doch hartnäckiger zu sein als ich dachte. Aber ich werde dir zeigen was mit Verrätern geschieht.“

Sie öffnet ihren Kimono und Xena blickt in die tiefsten Abgründe von Akemis Seele.

All die Seelen, die einst ihr Vater geraubt hat, haben nun dort ihr ewiges Gefängnis gefunden. Xena hat schon viel gesehen, doch dieser Anblick lässt sie erzittern.
Sie vernimmt die Schreie der Verlorenen, spürt ihre Angst. Ein Schatten entsteigt dem Grauen und nimmt Gestalt an.

AKEMI:
„Darf ich dir meine Schwester Nanami vorstellen?“

XENA:
„Du bist Nanami? Aber...“

Nanami blickt ängstlich um sich. Sie sieht Akemi ins Gesicht.

NANAMI:
„Was hast du nur getan, Schwester?
Warum all dieser Hass?“


AKEMI:
„Du fragst warum? Hast du jemals gespürt, was es bedeutet wahre Macht zu besitzen?
Macht über Leben und Tod.
Macht über andere, die erzittern, wenn sie deinen Namen hören.
Xena kennt dieses Gefühl und es wird mir ein Rätsel bleiben wie sie es aufgeben konnte.“


XENA:
„Ich erkannte, dass alle Macht der Welt dir eins niemals geben kann.;“

AKEMI:
„Und das wäre?“

XENA:
„Das Gefühl geliebt zu werden.“



AKEMI:
(spöttisch)
„Liebe??? Ein abgedroschenes Wort.
Es war so leicht dich zu manipulieren.
Du siehst doch, was sie dir eingebracht hat, die Liebe.
Sie macht dich verletzlich und schwach.“

Akemi lacht schallend auf. Und selbst nachdem sie verschwunden ist, dröhnt ihr Lachen noch lange nach. Nanami nimmt Xenas Hand.

NANAMI:
(gefasst)
„Noch ist nichts verloren. Akemi weiß nicht wie stark wahre Liebe sein kann.
Und Gabrielle liebt dich sehr. Das ist vielleicht unsere mächtigste Waffe.“



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AM FUßE DES BERGES FUJI

Gabrielle und ihr Begleiter steigen von ihren Pferden. Vor ihnen liegt der Schrein des Kriegsgottes Hachiman. Ein Mann erwartet sie bereits am Eingang. Gabrielle verneigt sich.

GABRIELLE:
„Bist du Isamu?“

Der Mann nickt und erwidert die Verneigung.

ISAMU:
(freundlich)
„Wir haben noch viel zu tun. Nehmen Urne mit.
Komm, komm.“

Gabrielle nimmt die Urne aus der Satteltasche. Dann gehen sie durch das Eingangstor. Der Samurai bleibt draußen bei den Pferden.


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VOR DEM SCHREIN



ISAMU:
„Gerade wir haben durchschritten das Torii.
Wir glauben, dass es trennt weltliche von spiritueller Welt. Du musst nun hier bleiben.
Warte bis ich kehre zurück. Aber vorher geben mir Urne.“


GABRIELLE:
(erschrocken)
„Nein. Ich gebe sie nicht wieder her.“

ISAMU:
(freundlich)
„Hab Vertrauen. Müssen mit Geistern Verbindung aufnehmen.
Müssen Reinigung durchführen. Der Tod ist unrein.
Gib mir Urne, bitte. Möchte helfen.“

Isamu sieht Gabrielle lächelnd an und sie weiß nicht warum, aber sie vertraut ihm. Behutsam gibt sie dem Mönch Xenas Überreste.

GABRIELLE:
(entschlossen)
„Wenn du mich täuscht, dann wirst es bereuen, glaube mir.“

ISAMU:
„Gib mir Gabe für Opferung.“

Gabrielle weiß nicht recht was sie ihm geben soll, also kramt sie in ihrem Rucksack herum und findet schließlich ein kleines Schmuckstück. Sie gibt es Isamu.

GABRIELLE:
„Ist das genug?“

Isamu nimmt das Schmuckstück und begibt sich dann in die Richtung des Schreins.

Er stellt die Urne kurz ab und wäscht sich die Hände und den Mund an einem kleinen Brunnen, der vor dem Eingang steht. Dann wirft er die Gabe in eine kleine Kiste und verbeugt sich zwei Mal tief. Er klatscht zwei Mal in die Hände und verbeugt sich ein drittes Mal. Der Priester nimmt die Urne und betritt nun die innere Kammer des Schreins. Die Tür schließt sich hinter ihm. Gabrielle lässt das Tor nicht aus den Augen. Sie geht unruhig auf und ab. Es scheint eine Ewigkeit zu dauern.

Schließlich kommt der Priester zurück, in Begleitung von zwei jungen Frauen, die beide einen weißen Kimono tragen.

Gabrielle sieht Isamu verwirrt an.

GABRIELLE:
(wütend)
„Wo ist die Urne?“

ISAMU:
(freundlich)
„Ist in Sicherheit. Du seien sehr nervös.
Müssen ruhiger werden. Urne ist nur Gefäß.“

Gabrielle versucht sich wieder zu fassen, was ihr auch einigermaßen gelingt.

ISAMU:
„Nun gehen mit Dienerinnen. Du wirst nun machen kurze Reise in Welt der Geister.
Samurai hat mir berichtet von Essenz.“


GABRIELLE:
(unruhig)
„Ja, eine Freundin gab mir ein kleines Fläschchen.
Was geschieht denn nun? Was muss ich machen?“


ISAMU:
„Fragen. Fragen. Du nicht so viel fragen.
Gehen. Nicht vergessen Katana.“

Dann verneigt er sich und geht ohne ein weiteres Wort zurück in den Schrein. Gabrielle besinnt sich und holt das Katana. Die beiden Frauen führen sie in ein kleines Gebäude.


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